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Das Haus am Waldsee zur Berlin-Biennale: Posen und Podeste

Das Haus am Waldsee in Zehlendorf untersucht zur 8. Berlin-Biennale den privaten Blick auf die Kunst.

Das Haus am Waldsee hat die ideale Größe für eine Ausstellung, das sieht man jetzt, da mit der achten Berlin-Biennale endlich wieder einmal eine anspruchsvolle Gruppenschau in der Zehlendorfer Villa gastiert. Zwei Stunden können Besucher hier umherwandern, hören, sehen, sitzen und verweilen, ohne erschöpft zu werden. Im Gegenteil: Die Arbeiten der zwanzig zeitgenössischen Künstler, die hier das Thema Privatheit umkreisen, bieten Stoff zum Nachdenken für mehrere Tage – und ganz hinten im Garten gibt es sogar noch sinnliches Erlebnis besonderer Art.

Doch nicht alles ist gelungen, was Kurator Juan A. Gaitán in der Villa hat aufbauen lassen, zum Beispiel die alberne Videoarbeit von Patrick Alan Banfield. Der süddeutsche Künstler lässt in einem abgedunkelten Zimmer auf zwei gegenüberliegenden Wänden Ansichten von spätmodernen Wohnhäusern und von Nadelbäumen laufen: die Stadt hier, die Natur dort, und manchmal verschränken sich die Räume auch miteinander. Schon klar – der Gegensatz zwischen Kultur und Natur ist nicht so strikt, wie wir bislang meinen. Aber es müsste sich doch im fortgeschrittenen Klimawandel herumgesprochen haben, dass es Natur pur nicht mehr gibt; alles ist vom Menschen mitgeformt. Warum also dieser Aufwand? Kunst zum Thema Umwelt zählt offensichtlich nicht zu den Stärken von Kurator Gaitán.

Anderes kann er umso besser, allen voran, die herrschende Geschichtsschreibung in Frage zu stellen und alternative Erzählungen zu finden. Im Haus am Waldsee tippen Beiträge von Mathieu Kleyebe Abonnenc und Carla Zaccagnini die koloniale Vergangenheit an: Sie thematisieren Perspektiven von Europäern auf den Süden und den Niederschlag solcher Projektionen in Musik und Ethnologischen Museen, hier etwa von Zaccagnini dargeboten mit Noten und einer Einspielung von Johann Nepomuk Hummels Komposition „Quintour des Nègres“ von 1809, einem Ballett zu Bernardin de Saint-Pierres Liebesgeschichte „Paul und Virginie“, die im vermeintlichen wilden Mauritius spielt.

Konventionelle Formate erleichtern die Konzentration auf Inhalte

Das führt noch nicht in die Tiefe, doch Matts Leiderstams Installation bringt auf den Punkt, um was es im Haus am Waldsee geht: um materielle wie geistige Aneignung von Kultur, den schmalen Grat zwischen Kunsttransfer und Kunstraub. Der schwedische Künstler präsentiert Drucke von Gemälden aus Museen – und zwar von deren Vorder- wie Rückseite. Vorn zeigen sich unbekannte Menschen aus dem alten Venedig oder Holland, hinten Reparaturstellen sowie Aufkleber und Stempel, die Aufbewahrung und Besitz des Werks dokumentieren. Leiderstam hatte eine ebenso einfache wie bestechende Idee: Würden Museen ihre Exponate solcherart präsentierten, wüsste der Betrachter mehr über das Werk, dessen Weg und den Stellenwert von Kunst.

Vor allem konventionelle Formate finden sich im Haus am Waldsee, solche, die in Rahmen und Regale, auf Tische und Podeste passen. Das erleichtert die Konzentration auf die Inhalte und harmoniert mit Gaitáns Absicht, in der ehemaligen Fabrikantenvilla auch den privaten Umgang mit Kunst zu thematisieren, sozusagen ihre Präsentation im bürgerlichen Salon. Zwischen die namentlich gekennzeichneten größeren Beiträge hat er kleinere Arbeiten platziert: Stickereien, Objekte, ein Video auf einem Flachbildschirm. Wie im Wohnzimmer üblich, bleiben sie unbeschriftet und anonym. „Privatsammlung“ nennt Gaitán diese Abteilungen. Es soll sich dabei jedoch nicht um Arbeiten aus dem Besitz des Kurators handeln, wie eine Biennale-Mitarbeiterin versichert. Dennoch legt Gaitán damit einen ketzerischen Gedanken nahe: Sollte nicht jeder Ausstellungsmacher, der an einer öffentlichen Institution arbeitet, darlegen, was er zu Hause sammelt – um einer Verquickung öffentlicher und privater Interessen vorzubeugen?

Das Ausrufezeichen aber setzt im Garten das Künstlerkollektiv Slavs and Tartars. Aus riesigen Lautsprechern zwischen zwei Grashügeln tönt der muslimische Gebetsruf in einer türkischsprachigen Fassung aus der Atatürk-Ära – elektronisch gestört und verzerrt. Doch ausgerechnet diese doppelt verfremdete Version klingt satter und dringlicher als die scheppernden oder quäkenden Aufnahmen, die wie in vielen Minaretten abgespielt werden. Wer in dem religiös-politischen Klangraum verweilt und zurück zum Haus schaut, dem kann dieses rasch fremd werden.

Es ist schon ein sehr europäisches Ding, diese großbürgerliche Villa voller Gemälde und Objekte, gelegen in einem Kieferngarten mit Café-Tischchen – eine abendländische Fiktion davon, wie und wo Kunst zu zeigen sei.

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