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Kultur: Das Licht, das Dunkel, das Licht

Alicia Schersons sensible Jugendlichen-Studie „Il Futuro“ – nach Roberto Bolaños „Lumpenroman“.

Ein strahlender Sommermorgen, getaucht in glitzernd grelles Sonnenlicht. Ein knallgelber Fiat auf kurviger Straße unterwegs in den Bergen, irgendwo in Italien. Kurz darauf ist er nicht mehr als ein Blechknäuel auf einem Schrottplatz, davor ein traurig dreinschauender Junge und ein nicht weniger traurig dreinschauendes Mädchen. Und sie fragt den Schrotthändler: „War er nicht gelb?“

Die Eltern der beiden Jugendlichen sind in dem Auto ums Leben gekommen. Von nun an stellt sich für Bianca (Manuela Martelli) und Tomas (Luigi Ciardo) die Wirklichkeit in völlig neuem Licht dar: „Auf einmal gab es keine Nacht mehr, und alles war ein Dauerzustand von Sonne und Licht. Anfangs dachte ich, das käme von der Müdigkeit, von dem Schock, den das plötzliche Verschwinden unserer Eltern bewirkt hatte, aber als ich meinem Bruder davon erzählte, sagte er, ihm gehe es genauso. Sonne, Licht und berstende Fenster.“

So heißt es in Roberto Bolaños „Lumpenroman“ – und überhaupt spielt das Licht eine große Rolle in „Il Futuro“, den die Chilenin Alicia Scherson nach dem schmalen Buch ihres 2003 verstorbenen Landsmanns gedreht hat. Nur dass dieses Licht im Film immer mehr schwindet und sich die ungewöhnliche Liebesgeschichte, auf die „Il Futuro“ zusteuert, in einem vornehmlich in Brauntönen gehaltenen Zwielicht ereignet.

Eines Tages lernt Bianca den ehemaligen Mister Universum und Sandalenfilmhelden Franco Bruno (Rutger Hauer) kennen, auch Maciste genannt – und die Begegnung erfolgt anfangs äußerst gezielt. Nachdem bei ihr und ihrem Bruder zwei Kumpels aus dessen Fitnessstudio eingezogen sind und das Geld nicht reicht, kommen die Jungs auf die Idee, Bianca mit Maciste bekannt zu machen – auf dass sie in dessen riesiger, düsterer Villa einen Tresor finde und knacke. Maciste ist blind, da sollte das einfach sein. Aber er erzählt ihr aus seinem Leben, und Bianca erfährt erstmals, was Liebe sein kann.

Für Bianca und Tomas ist Zukunft nichts als Gegenwart, insbesondere seit sie Waisen sind. Scherson erzählt Bolaños „novelita lumpen“ – konzentrierter noch als der Schriftsteller – als eine Geschichte des juvenilen, sexuellen Erwachens und Reifens. Tomas guckt Pornos, um zu lernen, wie das mit dem Sex geht; Bianca, meist mit Nirvana-T-Shirt im Bild, hat mit einem der Jungs aus dem Fitnessstudio Sex und erkennt bald auch bei ihren Besuchen in der Villa, dass es für den alten Mann – und auch für sie – keine Zukunft gibt.

Das trashige Fitnessstudio-Umfeld steht in schönem Gegensatz zum biederen Friseursalon, in dem Bianca arbeitet – und ebenso stark kontrastieren die häufig eingeblendeten Schnipsel aus den in Cinecittà gedrehten Maciste-Filmen mit den überästhetisierten Liebesszenen zwischen Bianca und Maciste. Es steckt viel drin in diesem seltsam stimmungsvollen Film. An seinem Ende haben sich nicht nur die Beziehungs-, sondern auch die Lichtverhältnisse so weit geklärt, dass die Geschwister noch mal von vorn beginnen können. Gerrit Bartels

Lichtblick; OmU im Eiszeit und im

Kino Hackesche Höfe

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