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Kultur: Das Monster tobt ziemlich nonchalant

Ja, die heißen Sommer in Berlin.Jene langen Augustnächte, in denen man am Abend endlich die ersehnte Frische genießen konnte, in einem schattigen Hinterhof, bei einem kühlen Bier.

Ja, die heißen Sommer in Berlin.Jene langen Augustnächte, in denen man am Abend endlich die ersehnte Frische genießen konnte, in einem schattigen Hinterhof, bei einem kühlen Bier.Und dazu Open-air-Aufführungen einer Gruppe, die sich Frische im Umgang mit Klassikern auf die Fahnen geschrieben hatte.Ja, damals...

Nur zur Erinnerung: Das Hexenkessel Hoftheater am Prenzlauer Berg hat in sich den vergangenen Jahren mit sommerlichen Shakespeare-Aufführungen einen Namen gemacht."Mitsommernachtstraum", "Wintermärchen" und "Was Ihr Wollt" waren allabendlich ausverkauft.Flotte, freche Neuübersetzungen, ein unbekümmert agierendes Ensemble und die rechte Mischung zwischen Trash und Tragik sorgten für Klassiker-Kurzweil mit Kultstatus.

Daß es mit dem Wetter dieses Jahr bislang nicht so recht wollte, ist der Gruppe nicht anzulasten, ebenso wenig die Verschiebung der Premiere wegen Verletzung eines Ensemblemitglieds oder die Tatsache, daß der Hinterhof an der Schönhauser Allee 177B nun saniert werden soll und deshalb dieses Jahr nicht mehr zur Verfügung steht.

Schwerer wiegt, daß das Ensemble mit dem vertrauten Ort auch etwas von jener volkstheatralischen Frische verloren hat, die im improvisierten Ambiente des Open-air-Theaters so mitreißend wirkte.Sicher, da sind die gleichen prunkvollen Kostüme, der bekannte Laufsteg durchs Publikum, die eigens komponierte Musik von Barbara Morgenstern und die knalligen Schlußpointen in Monty-Python-Manier.Allein, das Ausweichquartier, das kahle-gruftige Kesselhaus der Kulturbrauerei, verlangte nach mehr inszenatorischem Aufwand.Wo nicht mehr Mond und Sterne die Dekoration übernehmen, gähnt Leere.

Größerer Erfolg, größerer Raum, größerer Stoff: Nach den Komödien der letzten Jahre sollte es dieses Jahr mit "Richard III." eine Tragödie sein.Passend zum Wahlkampfjahr gleich die, die sich mit der Wirkung politischer Propaganda auseinandersetzt.Mehr als eine Fußnote ist der aktuelle Verweis dann aber doch nicht: Milton Welsch als Richard hat zwar zu Beginn einige menschelnde Momente, wenn er mit kindlicher Verwunderung den eigenen Erfolg kommentiert.Dann aber tobt er sich, halb Monster, halb Kind, mit reflexionsloser Nonchalance durch seine Rolle.

Das verwirrende Getümmel der intrigierenden Brüder, Onkel, Mütter und Ehefrauen wird nicht durchsichtiger dadurch, daß die sieben Ensemblemitlieder in gewohnter Manier mehrere Rollen übernehmen.Wobei mit dem Geschlechtertausch zumeist die Qualität steigt: Julia Zeman und Katja Höppner, die als Lady Anne und Königin Elisabeth in Brokat und Spitze operettenhaft steif wirkten, entwickeln als Killerclowns einige der komischsten Momente des Abends.Roger Jahnke, als Herzog von Clarence nur oberflächlich tändelnd, ist als rachsüchtige Margareta von ungestümer Kraft.Auch Raul Gonzales findet erst als preußisch-harte Herzogin von York zu vollem Format.Ansonsten viel steife Gestik.Nichts ist tragischer als Trash, der keiner mehr sein will.

Nächste Vorstellungen: heute, 27.bis 30.Juli, 4.bis 6.August, jeweils 21 Uhr.

CHRISTINA TILMANN

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