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Kultur: Das müllt

Die Big Art Group mit „Shelf Life“ im Berliner HAU 2

Ach ja, das postmoderne Ich, zusammengesetzt aus lauter Versatzstücken und schwankenden Identitäts-Behauptungen. Die Big Art Group aus New York bringt es auf die Bühne, fragmentiert, trashy und ziemlich lustig. Wie schon in ihrem furiosen Stück „Flicker“ ist der Blick auf die Performer auch bei „Shelf Life“ im Berliner HAU 2 bis in Brusthöhe von einer Leinwand verstellt. Drei Kameras übertragen und vergrößern, was die Akteure dahinter treiben: Ihre Körper werden zum Film-Bild und diese Bilder sind ganz offenkundig gefälscht, zusammengesetzt aus den Fragmenten der drei Kameraperspektiven.

Was auf der Leinwand wie ein Körper aussieht, sind manchmal Körperteile mehrerer Performer. Das Spiel mit den gefaketen, ineinander montierten Bildern findet seine Fortsetzung, wenn sich Figuren vervielfachen oder plötzlich von unterschiedlichen Performern, gerne auch unterschiedlicher Hautfarbe, gespielt werden: Jeder für jeden ein Double. Unter den Perücken und der dicken Schminke verschwinden individuelle Unterschiede, genau wie die Geschlechtszuschreibungen ihre Eindeutigkeit verlieren.

Frankie zum Beispiel, die augenklimpernde Blondine, das Wunschobjekt, um das drei sehr typisierte Typen kreisen, wird logischerweise von einem Mann gespielt, von John Norman Schneider, der sehr komisch das Dummchen gibt. Der fleischgewordene Blondinenwitz, die sprechende Barbie-Puppe als lustig androgynes Kunstprodukt: Return to Gender. Zwei von Frankies Machoverehrern, der Müllwagenfahrer Wendy (Rebecca Sumner Burgos) und der geduckte Spießer James (Amy Miley), sind natürlich in Wirklichkeit Frauen.

In diesem Setting, das vor allem von der Künstlichkeit aller Identitätskonstruktionen und Authentizitätsbehauptungen erzählt, ist nur für völlig entleerte Klischeegefühle und Handlungsmuster Platz. Nicht nur die Figuren, auch ihre Geschichten sind eine einzige Collage aus Versatzstücken: Kennenlernen, reden, Kuss-Versuche, Beeindruckungsrituale, Eifersuchtssausbrüche – alles im Schnelldurchlauf.

Caden Manson, der raffinierte Autor, Regisseur und Konzept-Erfinder der Big Art Group, bedient sich im Arsenal dieser Versatzstücke wie in einer Müllhalde der Fernsehserien und B-Movies. Und auf einer Müllhalde findet auch der Showdown statt, bei dem die drei Verehrer die umworbene Frankie sauber in drei Teile zerreißen. Es ist ein stilsicher gewählter Schauplatz, hat doch Frankie das ganze Stück über nichts anderes gemacht, als Klamotten, CDs und Zivilisationsmüll zu sammeln – lauter Junk der Warenwelt als Ersatz für Persönlichkeit und Füllmasse ihres leeren Lebens. Das Persönlichste, das wir von ihr erfahren, ist, dass sie am liebsten Nr.1-Hits hört. Und solche Leute haben wahrscheinlich wirklich nichts anderes verdient als den Tod auf der Müllkippe.

HAU 2, bis 18. April, täglich 20 Uhr.

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