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Ronja Zschoche alias Haiyti.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Das neue Album von Haiyti: Alle schreien meinen Namen

Die Hamburger Rapperin Haiyti überzeugt auf ihrem Majorlabel-Debüt „Montenegro Zero“ mit einem abwechslungsreichen Stilmix und viel Selbstbewusstsein.

Tanzen und Flirten im Berghain? Kein Interesse! Alles übertrieben, da machen wir doch lieber unsere eigene Party, bisschen Stoff ist auch am Start, wird schon. Berlins berühmtester Club kommt nicht gut weg in dem Song „Berghain“ der Hamburgerin Haiyti. Im Refrain singt sie sogar „Bitte lass’ mich da nicht rein“. Dazu pluckern schöne NDW-Synthiebeats und an den Zeilenenden hängen lauter lustige Uh-uh-uhs und Wäh-Wäh-Wähs.

Diese lautmalerischen Einwürfe sind typisch für die Rapperin, die bürgerlich Ronja Zschoche heißt und derzeit als eine der größten deutschen Hip-Hop-Hoffnungen gilt. Zu Recht, wie sie mit ihrem gerade veröffentlichten Album „Montenegro Zero“ beweist. Es wirkt wie eine selbstbewusst auf den Tisch geknallte Trumpfkarte, ausgespielt nach dem Motto: Das Rap-Jahr ist eröffnet, jetzt zeigt mal, ob ihr das toppen könnt, Leute. Dürfte nicht ganz einfach werden, denn Haiyti gelingt mit ihren zwölf Tracks, die ohne jegliche Gäste auskommen, ein beeindruckend gegenwärtiger und leichthändiger Stil-Mix, den das Berliner Duo Kitschkrieg (Beginner, Trettmann) produziert hat.

Ihre Stimme kiekst, kreischst und krächzt

Die Basis der mit Dancehall-, Pop- und Reggaeton-Elementen versetzten Lieder liegt im Cloud- und Trapsound, der aus dem amerikanischen Süden stammend, sich in den letzten Jahren durch Künstler wie Yung Hurn, Rin oder Bausa auch im deutschsprachigen Raum durchgesetzt hat. Wobei auffällt, dass Haiyti verglichen mit ihren männlichen Kollegen mit mehr Aggressivität zu Werke geht. Zwar gibt es auch bei ihr melancholisch-poppige Nummern wie „Gold“, in der sie zum Auftakt schmachtet „Was soll ich mit allem Gold der Welt?/ Ich will nur ein bisschen Zeit mit dir/ Ey, komm wir bleiben hier“, doch gerät sie – trotz ebenso massivem Autotune-Einsatz – nie in die apathisch-weinerlichen Gefilde der Jungmänner. Das liegt vor allem an ihrer Vokalperformance, die eine ganze andere, eigene ist. So schießt ihre Stimme beim Rappen und Singen immer wieder in die Höhe, kippt fast, kreischt und krächzt. Das kann schon mal ein wenig nerven, hat aber einen hohen Wiedererkennungswert und ihr schon Vergleiche mit Nina Hagen eingebracht.

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Besonders aufgekratzt ist Haiyti in „Mafioso“, in dessen Refrain sie immer wieder schreit „Mein Onkel war ein Mafioso“. Der dazugehörige Videoclip zeigt sie als Gangsterbraut im Minikleid mit einer Maschinenpistole herumfuchtelnd. Um sie herum sitzen finster dreinblickende Typen mit dicken Ketten und Uhren – Klischeegangster wie aus der Vorabendserie. Eigentlich ein bisschen lächerlich, allerdings fesselt der Song mit seinen tief grollenden Bässen und Klavierakkorden, die einen spannungsreichen Kontrast zu den umherzuckenden Hi-Hats und den Klickgeräuschen einer Waffe bilden.

Die Gangster-Themen sind weniger geworden

Das Stück schließt an Haiytis frühere Werke an. Die in prekären Verhältnissen in Hamburg-Langenhorn aufgewachsene Rapperin, die ihr Alter nicht preisgeben mag, aber wohl Mitte, Ende 20 ist, hat schon eine Reihe von Mixtapes und Minialben veröffentlicht – alles im Eigenverlag und ganz dem Trap verpflichtet. Auf „City Tarif“ von 2016 und auch auf „Follow mich nicht“ ( 2017) inszenierte sie sich noch stark in Richtung Gangster-Rapperin. In den Texten ging es um Drogen und Geld, „schwere Jungs, leichte Mädchen“. Auf ihrem ersten Album bei einem Majorlabel hat Haiyti die kriminelle Thematik stark zurückgefahren. Es geht mehr um die Liebe, das Feiern und allgemeine Prahlereien. „Mafioso“ kommt wie ein Gruß aus alten Zeiten rüber, inklusive eines Selbstzitats: Die Zeile „Du weißt, dass wegen mein’m Namen Blut fließt“ hat sie im Track „Dope Game“ schon letztes Jahr benutzt. Sprach sie dort noch von sich selbst als Dealerin und Geldwäscherin, ist in dem neuen Stück nur noch ihr Onkel kriminell – in der Vergangenheit.

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Dass es mit „Haubi“ einen sehr bitteren Song über die Drogenszene am Hamburger Hauptbahnhof auf „Montenegro Zero“ gibt, deutet ebenfalls auf eine größere Distanz Haiytis zu ihren Gangster-Texten hin. Das steht ihr ganz gut. Denn sie lässt sich, anders als eindimensionale Kolleginnen wie die Gangster-Rapperin Schwesta Ewa oder das Krawall-Duo SXTN, ohnehin nicht auf eine Rolle festlegen. Das zeigt sich auch an ihren Videos, in denen sie häufig ganz verschiedene Frauentypen darstellt. So ist sie etwa im zweiten Teil des „Mafioso“- Clips noch in drei weiteren Outfits zu sehen, ähnlich wie im Video zu ihrer Single „100 000 Fans“, das sie mal im Leder-, mal im Lady- und mal im Urban-Style zeigt. In einem Interview hat die Rapperin, die nebenbei noch Malerei an der Hamburger Hochschule für bildende Kunst studiert, einmal gesagt: „Ich weiß selbst nicht, wie ich morgen drauf bin. Es ist, als würden mehrere Persönlichkeiten darum ringen, an die Oberfläche zu kommen. Aber das ist okay. Man muss einfach das Talent besitzen, den Zufall entscheiden zu lassen.“

Dieses Talent scheint sie zu haben. Hinzu kommt, dass bei ihr alles stets spielerisch und leicht wirkt. Sogar Selbstironie – Seltenheit im Hip-Hop – blitzt mal auf, wenn sie etwa von ihren 100 000 Fans singt, die sie noch nicht kennen und die alle ihren Namen schreien. Bis es so weit ist, dauert vielleicht noch ein bisschen, aber mit „Montenegro Zero“ wird Haiyti ihre Bekanntheit auf jeden Fall radikal erhöhen. Eine große Bereicherung für die deutsche Poplandschaft und die langsam bröckelnde Männerdomäne Hip-Hop ist sie sowieso.

„Montenegro Zero“ erscheint bei Vertigo/Universal. Konzert: 16.3., 20 Uhr, Astra Kulturhaus

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