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Das Orchester des Bolschoi Theaters in Berlin: Die Freiheit nehm’ ich mir

Starcellist Mischa Maisky ist das Zugpferd beim Gastspiel des Moskauer Bolschoi-Orchesters in der deutschen Hauptstadt. Unter der Leitung von Alan Buribajews sind Werke von Tschaikowsky, Saint-Saens und Respighi zu hören.

Mit 66 Jahren scheint Mischa Maisky eine Art von abgebrühter Routine entwickelt zu haben. Kein Wunder nach über einem halben Jahrhundert Solistentum, in dem der Cellomeister wahrhaft das gesamte Solorepertoire hinauf und hinunter gespielt hat, immer mit dem Lockenkopf quasi im Griffbrett, die Seele auf der Spur größtmöglicher Wirkung. Dafür großzügig in Bezug auf Notentexte – wie jetzt wieder beim Gastspiel des Bolschoi-Theaterorchesters in der Philharmonie.

Denn schon in Respighis Cellovariationen opfert Maisky dem fraglos zarten Schmelz seines Spiels die Rechtschaffenheit mancher Phrase, und bei Saint-Saëns erstem Cellokonzert, das er an die hundert Mal aufgeführt haben muss, schleichen sich in den doppelgriffigen Passagen so viele Fehler ein, dass man staunt über die Freiheiten, die er sich nimmt. Gleichwohl wirkt der Ansatz, im Zweifel eher dem Affekt den Vorzug zu geben, allemal sympathischer als wohlziseliertes Gedrechsel. Gefährlich nur, wenn ständige Emotionalisierung selbst Routine wird.

Maisky färbt damit auf das Orchester ab, das unter Alan Buribajew den in diesem Fall recht beengten Horizont westeuropäischer Musik kaum ernstlich weitet. Unter ihm verkümmert auch Tschaikowskis Dritte. Die Musiker lassen Präzision oft dort vermissen, wo sie unabdingbar wäre: in Pizzicati und heiklen Läufen, bei gemeinsamen Schlüssen und Anfängen, Handwerk also. Gerade weil es sich ohnehin nicht um Tschaikowskis größten Reißer handelt, schmerzt der mangelnde Mut Buribajews, die gegenüber ihren Schwestern stark vernachlässigte Sinfonie mit Detailarbeit neu zu befragen.

Denn die Musiker sind ja fähig zu großartigen, kontrastreichen Momenten, verfügen über warme, weiche Farben, großartige Holzsolisten und vor allem in den mittleren Streichern über einen herrlich erdigen Klang. Buribajew aber geht die Sache lapidar an, unter einem gesunden Mezzoforte lässt er wenig gelten und setzt sich dafür auf die schwächsten Stellen im Feuerfinale, die so noch breiter und platter werden. Schade.

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