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Kultur: Das Polnische Kulturinstitut in Berlin zeigt weibliche Filmarbeit

Die Geschichte, die Dorota Kedzierzawska erzählt, ist uralt. Tausendfach erzählt, millionenfach geschehen und jedes Mal wieder erschütternd.

Die Geschichte, die Dorota Kedzierzawska erzählt, ist uralt. Tausendfach erzählt, millionenfach geschehen und jedes Mal wieder erschütternd. Da ist Helena, eine junge Frau, Mutter von drei Kindern. Die Umstände sind beengt und arm, der Mann schlägt, säuft und bleibt nachts weg. Helena aber in ihrer Einsamkeit und Überforderung liebt ihn, und irgendwann ist sie wieder schwanger. Ein Frauenschicksal im Polen der späten achtziger Jahre, verfilmt von einer Regisseurin. "Nic/Nichts" heißt der Film, der den Auftakt zur diesjährigen Frauenfilmreihe im Polnischen Kulturinstitut macht in Berlin macht. Nach dem "Bild der Frau" im Vorjahr nun also "Frauen machen Filme".

Sehen Frauen die Welt anders als Männer? Klar ist nur, dass der Kinozuschauer die Welt mit den Augen des Filmemachers sieht. Oder der Filmemacherin. Ein breites Spektrum wolle man zeigen und zehn maßgebliche Werke vorstellen, sagt Kornel Miglus vom Kulturinstitut. Von Wanda Jakubowska "Letzter Etappe", 1948 gedreht, bis hin zum neuesten Werk von Urszula Urbaniak "Gleisgeflecht", für das die Regisseurin 1999 beim Festival des jungen osteuropäischen Films in Cottbus ausgezeichnet wurde. Urszula Urbaniak sollte eigentlich nach Berlin kommen, um über ihren Film zu sprechen, doch sie sei hochschwanger. Vielleicht habe sie ihr Kind auch schon bekommen, sagt Kornel Miglus, jedenfalls könne sie nicht anreisen. So habe er ein Telefoninterview mit ihr geführt, und sie habe sich dabei selbst gefilmt.

Nach dem Videointerview sind bei der Diskussionsrunde zum Auftakt der Filmreihe die Teilnehmer jedoch live zu erleben, darunter die Regisseurin von "Nic", Dorota Kedzierzawska und ihr Kameramann Arthur Reinhard. "Er gilt als einer der besten polnischen Kameramänner", so Miglus. Angekündigt sind auch die Autorin Dorothee Wenner und die Sprecherin der Berliner Festspiele Jagoda Engelbrecht, die Polens Starregisseur Andrej Wajda auf seinen Deutschlandbesuchen begleitet, sowie die Dokumentarfilmerin Sybille Tiedemann. Ihr gemeinsames Thema: spezifisch weibliche Filmarbeit.

"Aber es geht nicht um Feminismus. Sondern um Frauen, die Filme machen", betont Kornel Miglus. Dazu gehörte eben auch jemand wie Krystyna Janda, die man im Westen als Schauspielerin kennt. In Berlin ist sie in "Pestka" zu sehen, ihrem Regiedebüt. Sie spielt darin eine Vierzigjährige auf Partnersuche, führte gleichzeitig Regie und adaptierte den gleichnamigen Roman von Anka Kowalska als Drehbuch. Barbara Sass, als polnische Feministin profiliert, ist mit "Kryk/Schrei" vertreten, und auch Agnieszka Holland fehlt nicht, die Regisseurin von "Hitlerjunge Salomon", die hier mit einem frühen Film vertreten ist: "Kobieta Samotna/Die einsame Frau". "Das ist das polnische Kino der moralischen Unruhe, und zwar auf einem seiner Höhepunkte", sagt Kornel Miglus. Inzwischen habe Holland längst den Anschluss an Hollywood geschafft.

Der älteste Film der Reihe kommt von Wanda Jakubowska: "Ostatni Etap/Die letzte Etappe" ist das Hauptwerk der inzwischen verstorbenen polnischen Regisseurin. Miglus hat die Filmemacherin vor vier Jahren bei ihrem Berlinale-Besuch begleitet. "Eine beeindruckende, energische, alte Dame", erinnert er sich. Jakubowskas erster großer Spielfilm sollte am 1. September 1939 in den polnischen Kinos anlaufen, war aber nie zu sehen, weil der Krieg alle Kopien vernichtete. "Ostatni Etap" entstand danach, relativ bald nach dem Weltkrieg, als eine sehr persönliche Aufarbeitung ihrer eigenen Auschwitzerlebnisse. "1948 am Originalschauplatz gedreht", sagt Kornel Miglus und wiederholt seine Einschätzung: "beeindruckend". Um dann anzufügen: "Dieser Film ist kein Spielberg."Vom 15. bis 20. April im Polnischen Kulturinstitut. Alle Filme werden im Original mit Untertiteln gezeigt.

Tina Heidborn

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