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Kultur: Das Recht am Unrecht

Die DDR-Vergangenheit ist ein ergiebiger Brunnen. Wer dort Wasser holen darf, wann, mit wieviel Eimern, das reguliert unter anderem die Gauck-Behörde.

Von Caroline Fetscher

Die DDR-Vergangenheit ist ein ergiebiger Brunnen. Wer dort Wasser holen darf, wann, mit wieviel Eimern, das reguliert unter anderem die Gauck-Behörde. Sie verfügt unter anderem über eine Forschungsabteilung. 68 Historiker beugen sich dort über Aktenberge und veröffentlichen regelmäßig ihre Funde und Befunde in der Reihe "Analysen und Dokumente. Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik." Dafür hat sie einen Vertrag geschlossen: mit dem Berliner Ch. Links Verlag. Dessen Verleger, Christoph Links, hatte zu DDR-Zeiten kein leichtes Spiel mit den Autoritäten. Seine Kontakte zur Oppositionsszene quittierten sie damit, den Lateinamerika-Redakteur der "Berliner Zeitung" auf einflußlosem Posten kaltzustellen. Die Stasi-Akte des jungen Mannes, die sich Links, 46, inzwischen besorgt hat, umfaßte satte hundert Seiten. Mehrere Anwerbeversuche des Staatssicherheitsdienstes lehnte Links ab. Als die Mauer fiel, war Links der erste "Ossi", der ein eigenes Verlagshaus aufbaute. Mit Enthusiasmus, und mit Erfolg. Die Titel zu Mauerfall und Kulturgeschichte, sozialen Themen und Nazi-Deutschland liefen gut. Viele Links-Bücher befassen sich schonungslos mit der Aufklärung des Damals.Gauck hat also keine schlechte Wahl mit seinem Vertragspartner getroffen. Auf den Inhalt der Gauck-Bände - auch das Vetragsbestandteil - nimmt CH. Links keinen Einfluß. Die Früchte der von Gauck beschäftigten Historiker stehen der Behörde zur Publikation zur Verfügung. Umso erstaunter war Verleger Links, als er einen Titel aus seiner Gauck-Reihe - die Studie von Hubertus Knabe zur "West-Arbeit des MfS" (Ministerium für Staatssicherheit) - im Programm eines ganz anderen Verlages angekündigt sah: Im September, so druckte der Springer gehörende Verlag Ullstein/Propyläen in seiner jüngsten Verlagsbroschüre, werde Hubertus Knabe dort ein Werk zu MfS und "Stasi im Westen" vorlegen. Autor Knabe verteidigte sich. Er habe als unabhängiger Publizist mehr Freiheit, seine Arbeitsergebnisse zu präsentieren, denn als Mitarbeiter der Behörde in deren Publikationsrahmen. Anzunehmen ist auch, daß Knabe als freier Autor mehr Honorar erhält, als als Behördenvertreter.Für Links liegt der Fall klar: "Knabes Verhalten ist Bestandteil eines Vertragsbruchs". Bei Springer hört man das ungern. "Dort versucht man jetzt eine Kampagne gegen mich persönlich", erzählt Christoph Links. Die Springer-Zeitung Welt, wolle, vermutet der Verleger, ihn desavouieren um ihn vor juristischen Schritten gegen Ullstein/Propyläen zurückscheuen zu lassen. Welt-Redakteur Ulrich Clauß legte Links gestern eine Liste von Fragen vor, die der Verleger als tendenziös empfindet. Clauß fragt unter anderem ob es Fälle gegeben habe, "in denen Veröffentlichungen von Büchern, die Ihnen von der Gauck-Behörde angeboten wurden, verzögert wurden, nur in reduzierter Form oder gar nicht erfolgt sind, weil Sie entsprechenden Einfluß ausgeübt haben?" Die implizite Unterstellung, es gebe einen Vertuschungspakt Links-Gauck, findet der Verleger empörend. Inzwischen, so habe er erfahren, seien anonyme Briefe bei den Redaktionen der Berliner Zeitung und der Welt eingetroffen, die Links als Stasi-Agenten darzustellen versuchen. "Einfach absurd!" schüttelt Links den Kopf.Sollte es sich so verhalten, daß der Axel-Springer Verlag tatsächlich versucht, den Verleger Links einzuschüchtern und ihn durch Diaffamierungen vom Wahrnehmen seiner Rechte abzuhalten, so wäre dies nach Ansicht des Links-Anwalts Christian Schertz ein "in der Pressegeschichte Deutschlands bisher einmaliger Vorgang." Schertz warnte Rechtsabteilung und Chefredaktion der "Welt" schriftlich vor "tendenziöser Berichterstattung", die seinen Mandaten "in ein Umfeld stellt, in welches er nicht gehört."Und wer steckt hinter den anonymen Diffamierungen? Daß sie aus dem Haus Springer stammen, haten alle Beteiligten für unmöglich. Anonymität ist in solchen Geschichten ein anderes Wort für Feigheit. Kein anonymes Schreiben verdient es, zitiert zu werden.

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