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U2 im Berliner Olympiastadion, 1993.

© imago/Briganti-Art

Das Rockjahr 1991: Als U2 den Stadion-Rock neu erfanden

Vor 30 Jahren erlebte das Rock-Genre eine Blüte. Wir schauen zurück auf die zehn wichtigsten Gitarren-Alben des Jahres. Platz 10: „Achtung Baby“ von U2.

Bei dem Blick auf das Jahr 1991 drängt sich eine Band nicht unbedingt auf, die damals bereits zu den größten ihrer Zeit zählt. Die vier irischen Jungs von U2 hatten vor allem die 80er Jahre aufgemischt mit „Sunday Bloody Sunday“, einem Song gegen die anhaltende Gewalt in Nordirland, der unter dem Einfluss der damals stark wachsenden Friedensproteste zur Indie-Hymne geworden war, sowie durch ihr stilbildendes Album „The Joshua Tree“.

Es war 1987 in Zusammenarbeit mit den Produzenten Brian Eno und Daniel Lanois entstanden, bestach durch seinen flirrenden Sound, quecksilbrige Gitarren und große, persönliche Botschaften („I Still Haven’t Found What I’m Looking For“), die das Quartett geradewegs in den Pop-Olymp katapultierten.

So gelang es U2, ihre Postpunk-Verwurzelung mit dem Wunsch nach der großen Kulisse zu verbinden, die ihnen das Live-Aid-Spektakel 1985 geboten hatte. Eine neue Form des Stadion-Rock war geboren.

War das nicht genug? Wer schafft es schon, eine viel kopierte Rezeptur für die Modernisierung des klassischen Rock-Instrumentariums zu finden?

Trotzdem vollzogen Bono, The Edge, Larry Mullen und Adam Clayton schon bald eine radikale Wende. Als Ort für den Neuanfang – die Band hatte den größten Teil des Wende-Jahres 89 getrennt von einander verbracht – schlug Brian Eno eine Stadt im Umbruch vor. Berlin. Rau und naiv, ohne klare Grenzen, auf der Suche nach sich selbst.

Das Cover von "Achtung Baby".
Das Cover von "Achtung Baby".

© Island/Universal

Eno kannte zumindest West-Berlin gut, weil er in den siebziger Jahren mit David Bowie drei Alben in den Hansa-Studios direkt an der Mauer eingespielt hatte. Nun glaubte er, dass eine Stadt mit einer offenen Wunde in ihrer Mitte genau das passende Umfeld für die Band sein müsste, die sich mit ihren überzogenen Ansprüchen an sich selbst, ihren Selbstzweifeln und starken Charakteren oft schwer tat.

Und dann war da noch der Umstand, dass man ihr auf dem Gipfel des Ruhms ihre Leidenschaft für amerikanische Vorbilder vorwarf. Was hatten diese Iren mit B.B. King zu schaffen? Das tat ein Übriges, um ihr Heil soweit wie möglich von den USA entfernt suchen zu lassen.

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Berlins undefinierte kreative Energie verfehlt ihre Wirkung nicht. U2 vollziehen mit „Achtung Baby“ einen Bruch, wie er bei der bis dahin linearen Entwicklung der Band nicht zu erwarten war. Das geht aber nicht ohne heftige interne Auseinandersetzungen vonstatten. Denn Bono und The Edge auf der einen Seite, Clayton und Mullen auf der anderen streiten um Richtung und Stabilität.

Aber heraus kommt ein Album, dessen Sound rüde, wild und unbequem, dessen Beats drängend und nackt klingen, und das die prägenden Einflüsse der Zeit aufgreift, New Wave, Madchester-Elektro, Techno, ohne eigene Merkmale zu vernachlässigen. Die Band versteht, dass nur eine Sache besser ist, als einen eigenen Sound zu haben: ihn immer wieder neu zusammenzusetzen.

Mit diesem Prinzip legen U2 den Grundstein für eine bis heute anhaltende Karriere ewiger Neuanfänge. Vor allem aber verinnerlichen sie, dass sie in einer Zeit sich auflösender Gewissheiten angekommen waren und sich ihren Platz neu suchen mussten. Das kann man nur über eine Band des Jahrgangs 1991 sagen.

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