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Kultur: Das Rundum-sorglos-Paket

Die Berliner Galeristen Bruno Brunnet und Nicole Hackert von Contemporary Fine Arts verraten das Geheimnis ihres Erfolgs

Bruno Brunnet ist ein Freund deutlicher Worte. „Wenn ich heute ein Museum brauche, dann würde ich es mir am liebsten mieten“, sagt er und haut mit der Faust auf den Tisch. „Mögen sie mich hinterher auch wieder für diese Bemerkung prügeln“, fügt der Galerist grinsend hinzu. Er kann es sich leisten, denn zunehmend sind die Museen auf die Hilfe der Galerien angewiesen und nicht umgekehrt wie noch vor wenigen Jahren. „Das sind doch alles angeschlagene Institutionen mit fast keinem Ankaufsetat. Die planen Ausstellungen mit Künstlern, die Millionenumsätze machen, und können nicht einmal Transport, Klimakisten, Kataloge bezahlen“, wettert der 48-Jährige weiter, um hinzuzufügen: „Da ist es unsere Aufgabe, als Vermittler einzuspringen.“

Die Rolle des Galeristen hat sich seit den neunziger Jahren grundlegend gewandelt. In Zeiten, in denen sich die Preise für neue Malerei überschlagen und das Sammeln von Kunst zu einem schicken Hobby geworden ist für eine junge Käuferschaft, die schnell zu sehr viel Geld gekommen ist, müssen die Galerien ihre Pferdchen ganz anders zusammenhalten. Bruno Brunnet und seine Partnerin Nicole Hackert (38) bieten ihren Künstlern deshalb ein Rundum-sorglos-Paket, übernehmen die gesamte Logistik vom Verpacken, der Materialbesorgung bis zum Reisen, damit sie im Atelier in Ruhe arbeiten können. Dazu gehört außerdem die komplette Inventarisation des Werks, eine lückenlose Dokumentation von der Erwähnung im Kunstmagazin bis hin zu den Preisen auf dem secondary market. Wenn nötig, zahlt das Duo seinen Schützlingen sogar ein monatliches Salär, damit ablenkende Nebenjobs überflüssig werden.

Das hat sich bewährt, denn die Galerie Contemporary Fine Arts ist selbst mit dem Aufstieg ihrer Künstler groß geworden. Jonathan Meese, Daniel Richter gehören heute auf den Messen, Auktionen, Vernissagen zu den meistgenannten Namen. Das Kürzel CFA ist heute Synonym für eine Erfolgsgeschichte, wie sie von einer Reihe Berliner Galerien in den neunziger Jahren geschrieben wurde: Neugerriemschneider, Neu, Arndt & Partner, Carlier/Gebauer. Bei Bruno Brunnet und Nicole Hackert trägt sie nur ein wenig märchenhaftere Züge, denn der Anfang sah gerade bei ihnen am wenigsten vielversprechend aus.

Nach Wanderjahren als Kellner, Künstlerassistent, Rahmenbauer, Galeriemitarbeiter kehrte Brunnet Anfang der Neunziger endgültig aus Köln nach Berlin zurück, um 1992 seinen eigenen Laden aufzumachen: in einem Charlottenburger Hinterhof in der Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße. Eigentlich ein unmöglicher Ort für Ausstellungen, gelegen zwischen einem Fitnessstudio und einer Woolworth-Filiale, aber bei Bruno traf sich erstmals die neue Kunst-Crowd jener Jahre, ganze Kölner Abordnungen reisten zu den Vernissagen an. Nur verkauft wurde so gut wie nichts, kurz nach dem Zusammenbruch des Marktes. Die Folge: Die Banken kappten den während der Markt-Hausse noch gern gewährten Kredit gegen Kunst, und Brunnet musste plötzlich zurückzahlen.

Zwei Jahre später eröffnete das Stehaufmännchen den nächsten Laden, unter neuem Namen, diesmal zusammen mit seiner damaligen Assistentin und heutigen Ehefrau Nicole Hackert, die von dem alternativen Ausstellungsraum Art Acker e.V. als Studentin der Kunstgeschichte herüberkam. Die neue Adresse in der Tauroggener Straße im südlichen Moabit besaß einen ähnlichen Charme, ebenfalls ein Hinterhof, wo Kunstausstellungen am wenigsten zu erwarten waren. Der Vorteil: Der Berliner Sammler Herbert Volkmann finanzierte dem Paar die Räume für den neuen Start. Bis heute denkt das Gespann mit einer gewissen Sentimentalität an diese Anfänge zurück, denn hier zeigten sie ihre ersten Ausstellungen mit Daniel Richter und Peter Doig, die heute zu ihren Stars gehören. Schon damals haben die beiden regelmäßig Kataloge zu ihren Ausstellungen produziert; das gehörte für sie zusammen, war Teil des Geschäfts. „Von Peter Doig haben wir 200 Kataloge verschickt“, erinnert sich Hackert. „Aber für seine Bilder hat sich damals niemand interessiert – bis auf einen.“

Weitere vier Jahre später folgte das Paar dem Ruf der Spandauer Vorstadt, wo jetzt alle hippen Galerien ihr Quartier besaßen, und verlegte 1996 seine Adresse in die frisch sanierten Sophie- Gips-Höfe. Die erste Ausstellung mit Sarah Lucas führt noch über Holzplanken treppauf in die neuen Räume. Ihr heute hoch gehandeltes Werk „Is suicide genetic?“, ein Totenkopf aus Zigaretten platziert auf einem abgefackelten Ohrensessel, entstand noch am Vorabend der Vernissage auf der benachbarten Baufläche, wo das Kokeln damals keinen störte.

Über Stege und Stellagen führte in der neuen Galerie auch der Weg durch Jonathan Meeses erste große wichtige Installation „De Räuber“. Damals dürfte so mancher insgeheim das Paar für verrückt erklärt haben, das diesem manischen Wusler und Mythenverwurster seine Galerie für eine solche Okkupation zur Verfügung stellte. Doch Brunnet und Hackert hatten von Anfang an in ihr heutiges Zugpferd Vertrauen. Nur zehn Minuten nach dem ersten Gespräch und einem Blick in die Bücher und Notate, die der damalige Kunststudent in Plastiktüten zum Meeting mitbrachte, waren sie überzeugt. Das hielt auch in den ersten Jahren an, als CFA nur jene Bücher für wenige hundert Mark verkaufen konnte und nicht wie heute Gemälde, Bronzen, ganze Installationen für immense Summen.

Meese war ein Tipp von Daniel Richter, ebenso der junge Israeli Tal R, mit dem die Galerie heute ebenfalls höchst erfolgreich zusammenarbeitet. Der Künstler präsentierte dem Paar in einem kleinen Hamburger Hotelzimmer, wo man sich zum ersten Mal traf, spontan eine ganze Ausstellung seiner Werke. Auch da wussten die beiden intuitiv: Das wird, den nehmen wir. „Wir haben eine Trefferquote von über 99 Prozent. Der Wertzuwachs für unsere Sammler beträgt mindestens 100 Prozent, nach oben hin offen“, erklärt Bruno Brunnet eine Nummer zu großspurig. Wer kann es ihm verübeln? Ein für 3000 Euro verkauftes Bild von Daniel Richter ging bei der Herbstauktion der Villa Grisebach für 100 000 Euro über den Tisch. Die Gesamtausstellung von Doig damals in der Tauroggener Straße besaß einen Nominalwert von 90 000 Mark, heute würde er bei fünf Millionen Euro liegen.

Brunnet und Hackert haben mit dem Verkauf von Kunst ihr Glück gemacht. Auf die erste Galerie in den Sophie-Gips-Höfen folgte 2003 der nächste Umzug wenige Meter Luftlinie entfernt in größere Räume; bei der Eröffnung gab man sich die Klinke in die Hand, denn Immendorff zeigte hier kurz nach seinem Kokain-Skandal zum ersten Mal wieder Bilder. Gerade vollzieht sich die nächste Metamorphose von Contemporary Fine Arts, zu dem als Partner seit einigen Jahren Philipp Haverkampf gehört. Brunnet und Hackert ziehen privat mit ihren beiden kleinen Töchtern aus Mitte in eine Zehlendorfer Villa und haben im Souterrain die Administration der Galerie mit gut zehn Arbeitsplätzen einquartiert.

Natürlich wissen die beiden um die Zerbrechlichkeit dieses Glücks: Ein nochmaliger Anschlag wie vom 11. September brächte das gesamte Verkehrssystem zum Erliegen und damit auch den Warenfluss, der auf reibungslose Flugverbindungen angewiesen ist. Bislang bleibt es auf dem Kunstmarkt bei steigender Tendenz, auch wenn Skeptiker schon länger mit dem Platzen der Blase rechnen. Die neuen Käufer, das neue Geld haben noch andere Auswirkungen auf das Geschäft, die Gespräche über Kunst landen in kürzester Zeit bei der Dividende. „Ich würde gerne mal wieder über Inhalte reden, mehr hören als nur ,How wonderful!‘“, gibt Nicole Hackert zu bedenken. „Ja und?“, haut Brunnet wieder mit der Faust auf den Tisch. „Es ist schließlich besser, über Kunst als über den neuesten Lamborghini zu reden. Das hat eine lebensverändernde Qualität.“

Contemporary Fine Arts existiert seit 1992. Ehemals in Berlin-Charlottenburg angesiedelt, befinden sich die Galerieräume seit 1996 in den

Sophie-Gips-Höfen in Berlin-Mitte.

Die Galerie nimmt unter anderem an den Kunstmessen Art Basel, Frieze und Art Forum Berlin teil.

Sie vertritt die Künstler Cecily Brown,

Peter Doig, Angus

Fairhurst, Jörg Immendorff, Uwe Lausen,

Robert Lucander,

Sarah Lucas,

Jonathan Meese, Chris Ofili, Raymond Pettibon, Tal R, Daniel Richter, Dana Schutz, Norbert Schwontkowski und Juergen Teller.

Seit gestern ist die Ausstellung King Kong Kisses mit

Werken der Berliner Malerin Christa

Dichgans zu sehen

(bis 23. September).

Informationen unter www.cfa-berlin.com

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