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Kultur: Das Schweben der Bilder

Die Ausstellung „Color Fields“ in der Deutschen Guggenheim Berlin zeigt herausragende Werke der Farbfeldmalerei

Clement Greenberg war nichts fremd. Der große amerikanische Kritiker hat alle Kunstströmungen ab den dreißiger Jahren gesehen und bewertet – Abstraktion, Informel, Farbfeldmalerei. Dass er den Abstrakten Expressionismus 1964 dennoch eine „unerwartete Kombination“ nannte, liegt am offenbaren Widerspruch: ein Bild ohne Gegenstand, das dennoch ausdrucksstark daherkommt. Wie soll das gehen?

Inzwischen gibt es unzählige Beispiele. Mark Rothko, Morris Louis, Larry Poons, Alfred Jensen und Frank Stella waren damals dabei und hängen heute in den großen Museen. Ihre Arbeiten der sechziger und siebziger Jahre loten die Möglichkeiten des „Color Field Painting“ aus: Farbe ergießt sich über Leinwände, wird gesprüht, mit den Fingern verrieben oder in strenge Raster gezwängt. Gelb und Pink streiten wie bei Jules Olitski um die visuelle Vorherrschaft, Braun bringt Orange zum Vibrieren, während die schwarze Masse bei Larry Zox über drei Meter horizontal alles Rot und Grün zu schlucken droht, das sich vom Rand seiner Leinwand „Alto Velto“ (1969) keck in die Fläche schiebt. Solche Ikonen bilden den Kanon einer Malerei, die bis in die Gegenwart auf jede figürliche Darstellung verzichtet und sich allein auf die Wirkmacht von Farbe verlässt. Dass sie immer noch überwältigend sind, beweist die aktuelle Ausstellung „Color Fields“ in der Deutschen Guggenheim Berlin.

Kein Großereignis, sondern eine kleine, dichte, geschlossene Präsentation von 13 Künstlern, 14 Werken und begleitenden Filmen. Die großartigen Bilder sind im Besitz der Solomon R. Guggenheim Foundation, deren Direktor Richard Armstrong selbst nach Berlin gekommen ist, um die Schätze am temporären Ausstellungsort zu begutachten. Zu den schönsten Exponaten zählt wohl Rothkos „No. 18 (Black, Orange on Maron)“ von 1963. Ein Paradebeispiel für die Effekte purer Farbfeldmalerei, deren abstrakte Flächen vor dem Auge zu schweben beginnen und wie schwerer Samt auf dem braunen Hintergrund des Gemäldes liegen – so stofflich wirken die monochromen Rechtecke aus Öl und Pigmenten. Bei Helen Frankenthaler scheinen in einer konträren Geste Farben und Leinwand derart miteinander verbunden, dass die amorphen Flecken auf ihrem Bild „Canal“ (1963) geradezu aufgesogen werden. Kein Wunder, wenn man weiß, dass die amerikanische Malerin mit der Arbeit begann, ohne ihre Leinwand zu grundieren.

Die Guggenheim-Sammlung hat sich früh auf die Werke des Abstrakten Expressionismus und die differenzierten Strategien seiner Vertreter konzentriert. Im Unterschied zur europäischen Kunstszene, die zur selben Zeit die Pop-Art importierte und sich von der schrillen Interpretation des Alltags in Bildern und Skulpturen beeindrucken ließ. Die Farbfeldmalerei eines Rothko oder Gene Davis, dessen Bild „Wheelbarrow“ (1971) ein imposantes Streifenmuster von fünf Metern Länge ziert, markiert die andere Seite des damaligen künstlerischen Interesses: Sein Anspruch – das zeigt allein schon das von Davis gewählte Format – ist ähnlich hoch. Bloß von der Warenwelt einer erwachenden Konsumgesellschaft wandte man sich ebenso radikal ab wie von allen politischen Kommentaren.

So betrachtet erzählen die Werke des „Color Field Painting“ auch vom Rückzug der Künstler in einen ästhetischen Raum. Dort reflektieren sie die Eigenschaften der Farbe, ihr Verhältnis zum Licht und die Reaktionen von Grün auf Blau. Das wirkt ein wenig verzagt und ist in Wahrheit doch ein selbstbewusstes Beharren auf der Autonomie der Malerei. Dieser Anspruch vermittelt sich bis heute in den Bildern, die vor Jahrzehnten entstanden sind. Sie wirken frisch wie am ersten Tag.

„Color Fields“, Deutsche Guggenheim, Unter den Linden 13/15, bis 10. 1. 2011, tgl. 10 - 20 Uhr

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