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Kultur: Das Trauma heilen

Streit um Steven Spielbergs Filmprojekt über das Olympia-Massaker 1972

Es ist eine Geschichte aus dem bösen alten Terrorismus: keine feige und anonym gelegten Bomben wie soeben in London, kein Massen-Attentat, dessen menschliche Lenkwaffen sich der Vergeltung durch Selbstmord entziehen. Am 5. September 1972, es war der 11. Tag der Olympischen Spiele in München, nahmen acht palästinensische Terroristen elf israelische Sportler als Geiseln, töteten zwei von ihnen und forderten die Freilassung von 232 Palästinensern in israelischer Haft. Israel verhandelte nicht, und bei einem chaotischen Befreiungsversuch durch die Polizei auf dem Fürstenfeldbrucker Flughafen wurden die restlichen neun Geiseln, fünf der Terroristen und ein Polizist erschossen. Drei Terroristen kamen in deutsche Haft und wurden später – nach der Entführung einer Lufthansa-Maschine – freigelassen.

Der israelische Geheimdienst Mossad tötete in der Folge jahrelang gezielt Hintermänner des Attentats. Dabei auch Unbeteiligte. Die Ermordung eines unschuldigen marokkanischen Kellners in Norwegen, missglücktes Element einer damals von Israels Ministerpräsidentin Golda Meir entworfenen und im Kern bis heute in Israel gültigen Vergeltungsstrategie, ist als „LillehammerAffäre“ in die Terrorismus-Geschichte eingegangen.

Soeben hat Steven Spielberg begonnen, diesen dramatischen Stoff zu verfilmen – und seine Konzentration weniger auf die Thriller-Elemente des Attentats als auf die Gewissensbisse jener Leute, die in die Mossad-Vergeltungsaktionen verwickelt waren, erweist sich bereits als hoch brisant. Keinen fernen „Krieg der Welten“ wie in seinem jüngst angelaufenen Science-Fiction-Film, sondern den konkreten Dauerkrieg zwischen Israel und den Palästinensern hat Spielberg im Visier – einen Krieg, der nach dem Tod des PLO-Chefs Arafat und dem politischen Schwenk von Israels Ministerpräsident Scharon – vielleicht – endlich durch Frieden und die Gründung eines palästinensischen Staates abgelöst wird. Die „New York Times“ jedenfalls bezeichnete den Film, der in den USA oscar-gerecht kurz vor Weihnachten ins Kino kommen soll, schon vorab als „Spielbergs politischstes Projekt“.

Die Crux dabei: Der für seine filmischen Beiträge zum Holocaust gerühmte Regisseur will, so weit Details über das erste Drehbuch des Theaterautors Tony Kushner durchsickern, das Prinzip Vergeltung, mit dem Israel sich seiner Feinde erwehrt, moralisch problematisieren. Sollte – so fragen Israelis heute – Spielberg, der mit seinem KZ-Film „Schindlers Liste“ (1993) und seiner Shoah Foundation die Welt so wirkungsvoll für das Trauma Holocaust sensibilisierte wie wohl kein zweiter Regisseur, nun Israel in den Rücken fallen wollen? Der „New York Times“ zufolge hat Spielberg mit seinem zeitgeschichtlichen Stoff allerdings nichts weniger im Sinn als eine moralische Parallelisierung des palästinensischen Angriffs auf das Olympische Dorf mit den späteren israelischen Vergeltungsaktionen. Wohl aber will er, wie sein Berater und einstiger Clinton-Nahostbeauftragter Dennis Ross formuliert, die „menschliche Dimension“ von Terror und Vergeltung zeigen – mithin die traumatisch selbstzerstörerische Seite für alle an diesem Kampf Beteiligten ins Zentrum seines Filmes stellen.

In Israel hat die Debatte über Spielbergs cineastisches Friedensprojekt, das sich auf die in George Jonas’ Buch „Vengeance“ dokumentierte Biografie eines damals beteiligten Mossad-Killers stützt, bereits mit einiger Schärfe eingesetzt. Schön, wenn auch die palästinensischen Terroristen nach dem Töten einmal so sensible Zweifel hätten, meinen einige Kommentatoren – und der Historiker Michael B.Oren („Sechstagekrieg“) argumentiert bereits sarkastisch: „Sie sehen nie schuldbeladene Killer in anderen Völkern. Nur bei den Juden. ,Dirty Harry’ jedenfalls hat keine Gewissensbisse.“

Nichts gegen Clint Eastwoods einstiges filmisches Alter ego, aber vielleicht sollte man sich angesichts dieses hochpolitischen Stoffs vom puren Vergleich mit dem Genre-Thriller lösen. Das Autorenkino ist da schon weiter – bei den Palästinensern und in Israel. Hany Abu-Assads „Paradise Now“, der auf der jüngsten Berlinale gefeierte palästinensische Beitrag, konfrontiert zwei Selbstmordattentäter, deren Anschlag misslingt, behutsam mit dem erneuerten Geschenk ihres eigenen Lebens. Und „Walk on Water“ des Israelis Eytan Fox, der soeben im Kino lief, erzählt von einem Mossad-Mann, der nicht mehr töten will und kann. Steven Spielberg dürfte, wie es seine Art ist, in seinem noch titellosen Großprojekt die Botschaften dieser beiden kleinen Filme wuchtig im Mainstream vereinen.

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