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Kultur: Das wache Auge

Kunst und Geld (6): Wie unabhängige Berliner Kinoverleiher anspruchsvolle Filme auf die Leinwand bringen

Was wirklich helfen würde, wäre ein richtiger Sommer. Ein Sommer, wie er früher einmal war. Barbara Suhren sieht kopfschüttelnd aus dem Fenster, die letzten Monate waren lausig. Erst die WM, das ganze Land vor dem Fernseher, dann die Hitzewelle, kein Mensch wollte ins Kino. Und jetzt, wo das Wetter endlich richtig schön schlecht und damit gut fürs Kino ist, macht sich das cineastische Überangebot bemerkbar. „Früher war der Sommer traditionell die Zeit für kleine Filme“, seufzt Suhren, die gemeinsam mit fünf Freunden das Kreuzberger Verleihkollektiv Peripher betreibt. „Aber seit ein paar Jahren drängen so viele Filme auf den Markt, dass es auch im Sommer kaum noch Lücken gibt.“

Es ist kein leichtes Geschäft, die Vermittlung von Filmen zwischen Produzenten und Kinos. Besonders, wenn sich das Programm eines Verleihers nicht durch Blockbuster auszeichnet, sondern durch kleine Filme, abseitige Produktionen, „unspektakuläre Sachen“, wie Suhren es nennt. Seit neun Jahren bringt Peripher Klein- und Kleinstproduktionen aus dem In- und Ausland in die Kinos, schon etwas länger betreiben die Kreuzberger das fsk–Kino am Oranienplatz, dessen ambitionierte Programmschwerpunkte einst zur Gründung des Verleihs führten: „Als Einzelkino konnten wir bestimmte Filme aus dem Ausland einfach nicht bekommen“, sagt Suhren. „Deshalb war es günstiger, das, was wir zeigen wollten, gleich selbst zu verleihen.“

Gemeint ist: hauptsächlich französisches, japanisches und chinesisches Kino und Filme der „Berliner Schule“. Etwa vier Titel bringt Peripher jedes Jahr in den Verleih, pro Film werden selten mehr als drei Kopien in Umlauf gebracht, die dann durch 30 bis 40 kommunale Programmkinos in der ganzen Republik tingeln. Zum Vergleich: Von Filmen wie „Fluch der Karibik“ werden in Deutschland mehrere hundert Kopien gleichzeitig gespielt. Und in aller Regel kassieren die Vertriebe der Filmstudios dabei von den Verleihern schon Garantiezahlungen, bevor überhaupt ein Zuschauer eine Kinokarte gekauft hat – bei Großproduktionen kann das schon mal eine Million Euro sein. „Wir haben noch nie mehr als 5000 Euro vorgezahlt“, sagt Suhren, „und selbst das versuchen wir zu vermeiden.“

Auch sonst regiert bei Peripher das Sparprinzip. So vermeiden Suhren und ihre Mitstreiter die Anfertigung eigener Filmkopien, indem sie nach bereits vorhandenen fahnden: Festivalrollen oder Kopien aus Österreich und der Schweiz. Außerdem wird so viel wie möglich selbst gemacht: die Untertitelung etwa, die Anfertigung von Kino-Trailern und Plakaten. Eng ist die Lage trotzdem: „Rücklagen haben wir nicht“, sagt Suhren. „Wir zahlen uns allen ein Gehalt, mitunter müssen wir mal eins aussetzen. Das geht natürlich nur, wenn man keine Mitarbeiter hat.“

Zwar existieren für Verleiher genau wie für Filmproduktionen Fördermöglichkeiten. Suhren und ihr Verleih profitieren aber selten davon – weil ihre Einkaufssummen zu gering sind. Immerhin hat Peripher 2001 den Förderpreis der Bundesregierung gewonnen, der jedes Jahr an drei ambitionierte Verleiher vergeben wird: 75 000 Euro. „Bei einem Branchenriesen wäre das für die nächste Betriebsparty draufgegangen“, sagt Suhren. „Wir haben vier Jahre damit gewirtschaftet.“

Ganz so lange hat das Geld bei Arne Höhne nicht gereicht. Piffl Medien, der Verleih, den er mit fünf Kollegen in einer Friedrichshainer Fabriketage betreibt, hat den Förderpreis zweimal in Folge gewonnen – und das Geld jeweils in Filme investiert, die man sich sonst nicht geleistet hätte. „Populärmusik aus Vittula“ war so ein Fall. Im Berlinale-Programm hatten Höhne und seine Kollegen die schwedische Musikkomödie verpasst, doch dann lief der Film in einem der Freiluftkinos, die Piffl Medien in Berlin betreibt. Da erst merkte Höhne auf: „Gleich am nächsten Tag haben wir uns nach den Rechten erkundigt – und waren total erstaunt, dass noch niemand angefragt hatte.“ Der Film wurde zum Erfolg, obwohl sich die großen Verleiher nicht für ihn interessiert hatten – genau die Art von Glücksfall also, auf die Höhne und seine Kollegen immer hoffen. Denn: „Wenn bei den Festivals der Bieterstreit zwischen den Verleihern losgeht, ist der Film für uns gestorben.“

Zur Riege der Kleinverleiher zählt Höhne seinen Laden trotzdem nicht: „Ich rede lieber von einem unabhängigen Verleih.“ Etwa sechs Filme bringen die Friedrichshainer im Jahr heraus, im Schnitt mit 30 Kopien pro Film. Im Einzelfall können es auch mal weit mehr werden – wie etwa bei „Rhythm is it!“, dem mit Abstand größten Piffl-Erfolg. Auch so ein Film, an den sonst niemand glaubte. „Wir haben damals vorsichtig von 150 000 Zuschauern geträumt“, erinnert sich Höhne. Am Ende sahen rund 650 000 Kinogänger den Film – für einen Verleiher dieser Größenordnung eine spektakuläre Zahl. „Aber das war leider die große Ausnahme, aus der sich kein Erfolgsrezept ableiten lässt“, sagt Höhne. „Denn egal, was man tut, es bleibt immer dieses nie zu lösende Kinogeheimnis: was der Zuschauer am Ende macht.“

Immerhin ein Erfolgsrezept ist den meisten kleinen Kinoverleihern in Deutschland gemeinsam: ihr Standort. „Man muss in diesem Zusammenhang immer wieder die Berlin-Hymne singen“, sagt Höhne mit Verweis auf die niedrigen Büro- und Wohnungsmieten. „Ich glaube nicht, dass wir etwa in München in dieser Form arbeiten oder leben könnten.“ Letztlich aber zählt für Verleiher wie Peripher und Piffl nur eins, um neben den Branchenriesen zu überleben: das wache Auge für den richtigen Film.

Dies ist der letzte Teil unserer Serie „Kunst und Geld“. Wir haben uns mit prekären Produktionsverhältnissen in der bildenden Kunst und der klassischen Musik beschäftigt, mit Problemen der Selbst- und Werkvermarktung, wirtschaftlichen Hürden für Literaturverlage und Lesebühnen.

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