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Kultur: Das Wesen der Würde

Erschöpfung & Sehnsucht: das Demenzdrama „Vergiss dein Ende“

Von David Ensikat

Das ist kein schöner Film, auch wenn die Bilder manchmal schön sind wie auch die Musik. Auch wenn die Schauspieler, große Namen aus dem Osten, so Großes leisten, dass man ihr Schauspielersein ganz und gar vergisst. Auch wenn die beiden Selbstmorde nicht stattfinden.

Günther will sich umbringen, weil Bernhard am Krebs gestorben ist. Die beiden alten Männer waren ein Paar. Hannelore kommt, als Günther die Schlaftabletten nehmen will. Dabei will Hannelore sich ja selbst das Leben nehmen. Sie erträgt den langsamen Tod ihres Mannes nicht. Er ist an Alzheimer erkrankt, sie pflegt ihn. Er erkennt sie nicht mehr, sie flieht vor ihm. Ihren Selbstmord verhindert der lebensmüde Günther.

Das ist beinahe der ganze Film. Und man könnte seinen Machern einiges zum Vorwurf machen, etwa, dass sie eine überschaubare Handlung so kompliziert erzählen: Was Rückblende ist, erschließt sich nicht sofort. Auch dass sie Drastisches in allzu drastischen Bildern zeigen: der Kot des Kranken, das Erbrochene der Selbstmörderin. Als hätten sie keinen schönen Film machen wollen, sondern einen schwierigen. Nur weil das Thema schwierig ist.

Muss ein Film über die Überforderung die Zuschauer überfordern? Es sind die Schauspieler, die die Zumutung so unbedingt empfehlenswert machen. Renate Krößner spielt die Frau des Demenzkranken in einer erstaunlichen Mischung aus Erschöpfung, Liebessehnsucht und verrücktem Lebenswillen, Dieter Mann ist ein grantlig-unnahbarer Witwer, der unglaublich nahbar durch seine Brille schauen kann. Und Hermann Beyer spielt den Mann, der sich vergessen hat, so eindringlich und glaubhaft, dass sich zweierlei erschließt: Zum einen, jemanden zu pflegen, den man geliebt hat, und den es im Grunde nicht mehr gibt, ist eine Aufgabe, an der der Stärkste bricht. Zum anderen bleibt bei aller Fremdheit und Verlorenheit dieser Figur ein Rest an Würde und Zugehörigkeit: Ich weiß nicht mehr, warum ich zu Euch gehöre. Aber bitte, vergesst Ihr es nicht!

Dieser Film zweier junger Absolventen der Babelsberger Filmhochschule, Nico Woche (Drehbuch) und Andras Kannegießer (Regie) ist kein schöner Film. Aber ein sehr guter. David Ensikat

Babylon Mitte, Filmkunst 66, Lichtblick, Sputnik, Toni

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