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Kultur: Das zehnte Europakonzert der Berliner Philharmoniker

Diesmal war das Europakonzert für die Philharmoniker ein Heimspiel. Es wurde also nicht, wie in den Jahren zuvor, fürs Fernsehpublikum aus Versailles, Stockholm oder Krakau übertragen, sondern kam beim zehnten Male aus den eigenen heiligen Scharoun-Hallen.

Diesmal war das Europakonzert für die Philharmoniker ein Heimspiel. Es wurde also nicht, wie in den Jahren zuvor, fürs Fernsehpublikum aus Versailles, Stockholm oder Krakau übertragen, sondern kam beim zehnten Male aus den eigenen heiligen Scharoun-Hallen. Und bei einem Heimspiel am 1. Mai muß dann - so mögen sich Claudio Abbado, die Philharmoniker und sicherlich nicht zuletzt Sponsor DaimlerChrysler im Hinblick auf seine Prunkveranstaltung gedacht haben - gleich die Feiertagssinfonie Numero 1 her: Beethovens "Neunte". Welch kühne Programmgestaltung!

Dem erhabenen Bestseller wurde immerhin ein launiges Gesellenstück vorangegstellt: Beethovens mozartnahes Klavierkonzert Numero 2. Mit geistvoller Spiellaune und kristallener Technik servierte es Michail Pletnjow höchst artifiziell. Er setzte auf ausgefallen feine, fast impressionistisch sprühende Farbspiele, auf eine ausgesuchte pianistische Raffinesse, die vornehm-extravagante Züge einschloß, dezente Rubati, immer wieder hingezauberte Übergänge und im Andante kleine kantable Träumereien. Beinahe mehr Debussy als Beethoven bescherte Pletnjow, was die Philharmoniker nicht kümmerte. Das Bundesorchester in spe zog seinen Beethoven routiniert ab, spielte überhaupt seinen Schutzheiligen keinen Deut besser als Barenboims Staatskapelle an einem guten Tag.

Auch Claudio Abbado lief nicht sofort zu großer Form auf. In den ersten Satz stieg er zu hastig ein. Hals über Kopf steuerte er auf die Kulminationspunkte zu und überfuhr manch geheimnisvollen Moment. Der Trend zu einer sommerlichen Parforcejagd war nicht zu überhören. Sicherlich warf Abbado allen romantischen Klangballast über Bord und beeindruckte da und dort mit angriffsfreudiger Brillanz und mancher südländisch schimmernden Klangauflichtung, die den Philharmonikern Gelegenheit gab, sich mit ihren instrumentalen Belkantoqualitäten, ihren nuancierten Redekünsten vernehmen zu lassen. Aber vor allem dem zentralen Satz, dem Adagio, fehlte die Konzentration. Dafür ließ Abbado im Pauken-Scherzo die rhythmischen Figuren nur so aufblitzen und regelrecht tanzen. Einige dramatische Donnerschläge gerieten allerdings in Verdi-Nähe. Im Finale griff, wie nicht anders zu erwarten, eine freudig explodierende Vitalität um sich. Das oft kritisierte Schlußwort von den schönen Götterfunken und umschlungenen Millionen kam dem verschwenderisch besetzten Solistenensemble (Karita Mattila, Violetta Urmana, Thomas Moser, Eike Wilm Schulte) sowie dem unerschrocken loslegenden Schwedischen Rundfunkchor genüßlich über die Lippen - die Europahymne für den reichen Konzern in reicher Pracht.

Eckart Schwinger

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