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DAVID CRONENBERGS MAFIAFILM„Tödliche Versprechen“: Unter dem Anzug liegt der Hass

Ein dunkler Weihnachtsfilm aus dem Reich der Toten und der Tötenden: Kurz vor Heiligabend kommt ein Kind mit Namen Christine zur Welt. Doch die Mutter, eine 14-jährige Russin, stirbt.

Ein dunkler Weihnachtsfilm aus dem Reich der Toten und der Tötenden: Kurz vor Heiligabend kommt ein Kind mit Namen Christine zur Welt. Doch die Mutter, eine 14-jährige Russin, stirbt. Ihre Tagebuch-Klagen über Drogen, Prostitution und Vergewaltigung hallen fortan wie eine Geisterstimme durch den Film. Die Hebamme Anna (Naomi Watts), auch sie halb Russin, nimmt sich unterdessen des mutterlosen Babys an. Mit diesem Akt der Barmherzigkeit kommt die Geschichte unbarmherzig ins Rollen. Angeregt durch das Tagebuch der Toten klingelt Anna an der Tür des Transsibirien-Restaurants. Was sich schon bald als Fehler herausstellen wird. Denn nun wird sie ahnungslos und unaufhaltsam in die Welt des Patriarchen Semyon (Armin Mueller-Stahl), dessen Sohnes Kirill (Vincent Cassel) und des Chauffeurs Nikolai (Viggo Mortensen) gezogen. Es ist die Welt der Russenmafia.

David Cronenbergs „Tödliche Versprechen“ verbreitet eine Atmosphäre fesselnder Stille und Intensität. Der 64-jährige kanadische Regisseur saugt das Publikum hinein in seine dunkle Londoner Unterwelt, in der die schwarze Grundierung nur vereinzelt von blutroten Tupfern der Gewalt gesprenkelt ist. Aber diese furchtbaren Momente sind kein Selbstzweck. In ihrer schockierenden Plötzlichkeit stechen sie aus der unheimlichen Ruhe ähnlich heraus, wie der Hass, der sich immer wieder hinter der Sittlichkeitsmaske der Kriminellen zeigt. Das Grauen des Films rührt auch daher, dass er mitten im Zentrum der multikulturellen Moderne Londons eine archaische Männerwelt vorführt, die sich nicht im Geringsten der eigenen Primitivität bewusst ist. Die rohen Dreckskerle haben zwar einen Grad an Zivilisierung erreicht, der bereits auf radikaler Affektkontrolle basiert. Doch trotz der distinguierten Fassade treten Frauenverachtung und Rassismus, Fremdenhass und Schwulenfeindlichkeit völlig schamlos an den Tag. Unter den perfekt sitzenden Armani-Anzügen stecken die Körper wilder Krieger, übersät mit furchteinflößenden Tätowierungen. Zivilisation und Primitivität liegen nah beieinander, sagt uns Cronenberg. Keine frohe Botschaft zum Fest. Komplexer, intensiver Gangsterfilm. Julian Hanich

„Tödliche Versprechen“, USA/Kanada 2007,

100 Min., R: David Cronenberg, D: Viggo Mortensen, Naomi Watts, Armin Mueller-Stahl

Julian Hanich

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