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Freiheitstrau. Erich Kissings Gemälde "Leipziger am Meer"

© Museum de bildenden Künste Leipzig. Bertram Kober (Punctum Leipzig). VG Bild-Kunst, Bonn, 2017

DDR-Malerei in Potsdam: Zweifel und Eigensinn

„Hinter der Maske“: Das Museum Barberini zeigt, wie Maler in der DDR ihre Individualität behaupteten.

Werner Tübke malt sich als prächtig gewandeten König in einer Marionettenfamilie. Bernhard Heisig zeigt sich als bleichen Puppenspieler, der ein Skelett in seiner Hand balanciert. Wolfgang Mattheuer malt sich mit einer Schachtel über dem Kopf. Masken sind nicht lustig. Weder im rheinischen Karneval. Und schon gar nicht im Sozialismus. Aber sie helfen, hier wie da, sich auffällig zu verhalten, ohne bestraft zu werden.

„Hinter der Maske. Künstler in der DDR“ lautet der Titel der dritten großen Ausstellung im Potsdamer Barberini-Museum. In dem Palais auf dem Alten Markt werden Teile der Kunstsammlung des Software-Milliardärs Hasso Plattner gezeigt. Die ersten Ausstellungen waren große Publikumserfolge. Es ging um Plattners Lieblingsthemen – erst Impressionismus und Landschaft, dann amerikanische Moderne und Farbe. Seit Plattner sich für Potsdam als Standort für seine Kollektion entschieden hatte, erwarb er für die Sammlung des Museums auch Malerei aus der DDR. Die wird nun zum Ausgangspunkt für die aktuelle Schau.

In den vergangenen Jahren gab es etliche Ausstellungen zur Kunst aus der DDR. Im Potsdam Museum wurde die expressive Malerei der 80er Jahre in Ost- und Westdeutschland verglichen. Im Martin-Gropius-Bau widmete sich die Schau „Gegenstimmen“ der subversiven, dissidentischen Kunst der DDR. Die Schau „Hinter der Maske“ versucht nun einen anderen, persönlicheren Zugriff. Nicht die Vereinnahmung der Kunst durch Partei und Politik noch das Rebellieren dagegen sollen im Mittelpunkt stehen, sondern die Künstler selbst. Welches Bild hatten Maler in der DDR von sich und ihrer Rolle. Wie haben sie diese Selbstreflexion in ihrer Kunst verarbeitet?

Beim Durchforsten der von Plattner angesammelten DDR-Kunst und bei der Recherche, wie man sie unvoreingenommen und frei von Ideologie präsentieren könnte, fiel den Kuratoren Michael Philipp und Valerie Hortolani sowie Museumsdirektorin Ortrud Westheider auf, dass Selbst- und Gruppenbildnisse, Maskierungen und Alter-Ego-Figuren in den 40 Jahren des Bestehens der DDR in enormer Zahl geschaffen wurden. Kaum ein Künstler in der DDR, der nicht vielfach sein eigenes Antlitz abgebildet hätte.

Die Bilder kommen aus etlichen Privatsammlungen

Die große Bandbreite der Selbstdarstellungen zeigt sich dem Besucher gleich im ersten Ausstellungsraum. Trak Wendischs harlekinischer „Seiltänzer“ mit rotem Spitzkegelhut bildet den Auftakt, als Sinnbild für den Drahtseilakt zwischen Anpassung und Selbstbehauptung, dem Künstler in der DDR ausgesetzt waren. Hans Grundig, Jahrgang 1901, zeigt sich in einem vom Dunklen ins Helle aufklarenden Bildraum, 1946 noch in Erwartung einer besseren Zukunft in der jungen DDR. Otto Manigk distanziert sich in seinem Porträt aus dem Jahr 1962 bereits von der zeitgenössischen Kunstpolitik und greift auf die Formensprache der klassischen Moderne zurück. Arno Rink malt sich in den Klamotten eines Bergbauarbeiters und fühlt sich darin sichtlich nicht wohl.

Anders Willi Sitte. Der stellt sich mit Grubenhelm auf dem Kopf und stolz herausgestreckter Brust dar; freilich wirkt er mit den impressionistischen Farbsprengseln, aus denen sich sein Körperbild zusammensetzt, eher wie ein schriller Vogel und nicht wie Teil eines Kollektivs. Mit den Genannten spannt sich bereits der Bogen der rund 80 ausgewählten Künstler auf: viele bekannte Namen, die an den Kunsthochschulen der ehemaligen DDR lehrten, etliche aus der subversiven Ostberliner und Dresdner Szene der 80er Jahre, einige Unbekanntere.

Nur zehn Bilder der über zwei Stockwerke verteilten Schau stammen aus der Sammlung des Museums Barberini, der Rest sind Leihgaben, etwa aus den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dem Lindenau-Museum Altenburg, aus Leipzig, Eisenhüttenstadt und Chemnitz, der Nationalgalerie in Berlin und etlichen privaten Sammlungen.

Die acht Kapitel der Schau, jeweils über vier Künstlergenerationen hinweg, heißen etwa „Malerbilder“ oder „Schaffenssorte“, „Maskenbilder“ und „Erbansprüche“. Warum sie in den Räumen so und nicht anders aufeinander folgen, erschließt sich nicht immer, auch gibt es schwächere und stärkere Kapitel. Alles in allem ist der thematische Zugriff aber stringent. Der Künstler im Atelier, als Arbeiter, als Außenseiter, als Punk, als Narr, dazu „Störbilder“ aus den 80er Jahren, als der Staat schon anfing zu bröckeln.

Die Motive reichen von der zweifelnden Selbstbefragung über die ironische Selbstdarstellung bis hin zu Gruppenbildern – ohne dass man hier gleich an das sozialistische Kollektiv denken würde. Eher an Männerbünde, wie sie in der Kunstwelt überall vorkommen. Eines davon stammt von Erich Kissing. Es heißt „Leipziger am Meer“ und zeigt in hell-vibrierender Farbigkeit den Künstler und sechs Kommilitonen von der Leipziger Kunsthochschule, darunter den Filmemacher Lutz Dammbeck oder den Maler Wolfram Ebersbach.

Die Herren sitzen nur mit Badehosen bekleidet am Strand. In der Bildmitte thront eine barbusige Meerjungfrau. Den Strand zu malen, wo in der Realität keiner war, sich wegzuträumen, kann man als ironische Kommentierung der eigenen Situation interpretieren. Dazu passt, dass die Abgebildeten dabei höchst klar und überhaupt nicht verträumt wirken. Vielleicht persifliert das Strand-Setting auch die Losung „Weite und Vielfalt“, die die SED-Kulturpolitik Anfang der 70er Jahre, zu Beginn der Honecker-Ära, für künstlerische Produktionen ausgerufen hatte.

Auch Bilder aus dem Palast der Republik sind wieder zu sehen

Kunst hatte in der DDR eine erzieherische Aufgabe. Von einem Maler wurde erwartet, dass er die Arbeiterklasse darstellt, eine sozialistische Weltanschauung vermittelt, positiv und optimistisch in die Zukunft blickt. Zumindest wenn er ausstellen, gefördert und öffentlich rezipiert werden wollte. Sich selbst reflektierende Porträts waren von den Parteioberen nicht gern gesehen. Das Beharren auf Subjektivität passte nicht zu einer Gesellschaft, die den Einzelnen als Teil eines Kollektivs ansah. Insofern enthielten Selbstporträts in der DDR fast immer einen subversiven Unterton.

Natürlich sind weder Figurenbildnisse noch Atelierszenen spezifisch für die Kunst der DDR. Seit der Renaissance haben Künstler sich selbst gemalt und gezeichnet. Die Ausstellung bringt die Kunst aus der DDR in den Kontext der europäischen Kunstgeschichte, wo sie bisher wie kontaminiertes Gefahrengut wenig Berücksichtigung fand.

Flankierend zur Ausstellung „Hinter der Maske“ sind im oberen Stockwerk des Palais Barberini erstmals seit mehr als 20 Jahren die frisch restaurierten Gemälde aus der ehemaligen Berliner Palast-Galerie zu sehen. 16 Gemälde wurden vor der Eröffnung des Palastes der Republik bei verschiedenen Künstlern in Auftrag gegeben und hingen bis zur Schließung des Gebäudes im Jahr 1990 im Hauptfoyer.

Echte Repräsentationskunst im Auftrag der DDR. Große Schinken gemalt von Walter Womacka bis Bernhard Heisig, Werner Tübke und Willi Sitte. Figurative Malerei mit programmatischen Titeln und ideologisch aufgeladenen Szenerien vom „Weltjugendlied“ bis zu „Forscht, bis ihr wisst“. Leider walzt dieser bombastische Propagandareigen die Unvoreingenommenheit, die man sich gerade in den unteren Stockwerken angeeignet hatte, gleich wieder ein bisschen platt. Vielleicht beginnt man das Ganze von oben nach unten: erst die verordnete Kunst, dann die existenziellen und zeitlosen Selbstreflexionen der Künstler.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet am 28. Oktober um 18 Uhr im Museum Barberini Potsdam die Ausstellung „Hinter der Maske. Künstler in der DDR“. Der erste Ausstellungstag ist am 29. 10. Alter Markt, Humboldtstraße 5–6, Mo, Mi–So 10–19 Uhr, Do 10–21 Uhr

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