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Das tägliche Brot der Literaturkritik

© Doris Spiekermann.Klaas

Debatte um "Miroloi" von Karen Köhler: Geschmacksverstärker und die Epigonen von Elke Heidenreich

Je schlechter ein Buch, desto heftiger die Debatte: Wie Karen Köhlers Roman "Miroloi" die Literatur und die Literaturkritik herausfordert.

War das jetzt der Aufreger dieses Bücherherbstes? Die Debatte um Karen Köhlers Roman „Miroloi“ und die Krise der Literaturkritik? Oder wird die Bekanntgabe der Shortlist, womöglich gar mit Köhler, die Gemüter noch einmal aufs Neue erhitzen? Köhlers Roman ist ein eher dürftiges Werk, sprachlich, stilistisch, auch was seine nicht gerade komplexe feministische Perspektive anbetrifft. Überraschend war überhaupt, dass „Miroloi“ zum Veröffentlichungstermin in einem Feuilletonrutsch besprochen wurde – was womöglich am Verlag liegt, der es veröffentlicht hat: „Miroloi“ ist einer der Spitzentitel des Münchener Hanser Verlags, und trotz einiger ästhetischer Fehlgriffe in den letzten Jahren gehört Hanser immer noch zu den ersten Adressen im deutschen Verlagswesen.

Es gab ein paar freundlich-unentschiedene Besprechungen, auf die sogleich harsche Verrisse folgten. Und es gab Artikel, die „Miroloi“ zum Anlass nahmen, sich Literaturbetrieb und Literaturkritik grundsätzlich vorzunehmen und „neue Maßstäbe der Schönheit, des Stils und des Geschmacks“ zu fordern, wie der Literaturwissenschaftler Moritz Baßler in der „taz“, auf die wiederum weniger Köhler-Verteidigungsreden als vielmehr neuerliche Literaturkrisen- und Literaturkritikverdammungstexte folgten.

Auch der Stoff der Bücher beeinflusst Kritik

Wie üblich folgt aus solchen Debatten nicht viel. So neu ist sie ja überdies nicht, steckt doch die Literaturkritik in der Krise, seitdem es sie gibt. Nur vertraut ein größeres Publikum immer weniger ihren Urteilen. Und der traditionellen Literaturkritik hat sich in den sozialen Medien eine neue Form de r Literaturbewertung beigesellt, die zum Teil nicht weniger apodiktisch ist als das einstige Hochamt in den Feuilletons, zum Teil den sanft empfehlenden, Literatur vor allem als Wellness-Accessoire verstehenden Empfehlungscharakter hat, den einst, in grauer Vorzeit, Elke Heidenreich zu ihrem Markenzeichen gemacht hatte.

Heißt auch: The one and only Literaturkritik gibt es sowieso nicht mehr. Wenn Baßler Schönheit, Stil und Geschmack ins literaturkritische Feld führt, ohne sagen zu können, was die Maßstäbe dafür wären, wie diese „neu“ zu sein hätten, verschleiert er damit nur, dass zum Beispiel Geschmack schon immer auch ein Kriterium war, ein Stil einer Literaturkritikerin liegt, einem anderen Kritiker nicht, persönliche Vorlieben und Abneigen häufig eine Rolle spielen. Nur kommt sowas in einer Rezension nicht zur Sprache, sondern es wird das beliebte „literaturkritische Besteck“ ausgepackt, mit dem dann Sprache und Konstruktion genauer unter die Lupe genommen oder harsche Abgrenzungen zur Unterhaltungsliteratur gezogen werden. Nicht zu vergessen, dass sich die Literaturkritik seit jeher gern vom Stoff hat leiten lassen, mit ihrer Vorliebe für oder Sehnsucht nach Wenderomanen oder politischen Romanen, nach feministischen Romanen oder denen mit der absoluten, oh Gott, ja: „Welthaltigkeit“.

Sich ihrer Sache sicher sein konnte die Literaturkritik nie. Dafür sind große Bücher allzu schnell in Vergessenheit geraten, von der Kritik ignorierte oder verdammte jedoch später neu entdeckt, gar kanonisiert worden. Wie sich das irgendwann mit „Miroloi“ verhält? Taugt nicht über die Saison hinaus, möchte man meinen. Das ändert wiederum nichts daran, dass Köhlers Roman in die Bestsellerlisten gelangte. Wobei zu befürchten ist, dass die „Miroloi“-Debatte nur einen unwesentlichen Teil dazu beigetragen hat.

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