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Hochbegabte Lernende. Die französische Dirigentin Marie Jacquot.

© Oliver Topf

Debüts mit dem DSO: Mensch bleiben

Die Virtuosen von morgen: Der Cellist Jay Campbell und die Dirigentin Marie Jacquot debütieren mit dem Deutschen Symphonie-Orchester in der Philharmonie.

Witold Lutoslawskis Cellokonzert kann man als Konfrontation zwischen Masse und Individuum hören. Lange spielt der Solist zu Beginn alleine, als würde er privaten Gedanken nachhängen. Dann fahren zwei Trompeten dazwischen, brutal und atonal. Weitere Attacken folgen, immer mehr Instrumente fallen ein, bedrängen, übertönen den Solisten. Wenn man weiß, dass das Werk 1970 in Polen entstanden ist, fällt es schwer, nicht an die Drangsalierung von Intellektuellen in totalitaristischen Staaten zu denken.

Jay Campbell, der junge Amerikaner, der am Mittwoch Lutoslawskis Konzert in der Philharmonie interpretiert, denkt allerdings gar nicht daran, sich vom Deutschen Symphonie-Orchester unterbuttern zu lassen. Sein Spiel ist so präsent, so selbstbewusst und ausdrucksstark, dass er sich mühelos gegen das aufgeregte Gezeter des Kollektivs durchzusetzen weiß. Und er vermag in der Zugabe, Ravels Duo für Geige und Cello, durch seine ungeheure Energie auch Andrea Obisio zu elektrisieren. Der 22-jährige Italiener hatte zuvor in Prokofjews Violinkonzert zu sehr in sich hinein gespielt, technisch ohne Fehl und Tadel, mit beeindruckender Tonpräzision gerade in den hohen und höchsten Lagen, aber ohne Kontaktaufnahme zum Publikum. Zum Virtuosentum jedoch gehört nun einmal auch ein Quäntchen Show dazu, ein wenig Spaß am Schaut-Mal-Was-Ich-Alles-Kann.

Hochbegabt und trotzdem noch eine Lernende ist auch Marie Jacquot. Die französische Dirigentin begleitet beim „Debüt im Deutschlandfunk“ beide Solisten aufmerksam, Olivier Messiaens „Les offrandes oubliées“ aber vermag sie keine emotionale Tiefe zu geben. Wie eine effektvolle Tondichtung wirkt das Werk hier, das der Komponist doch als Mahnung zur religiösen Inbrunst geschaffen hatte. Auch Ravels „Ma mère l’oye“-Suite schnurrt bei Jacquot unterhaltsam ab, ist aber noch ein gutes Stück von jenem betörenden Klangzauber entfernt, den Chefdirigent Robin Ticciati beim französischen Repertoire mit dem DSO zu entfalten weiß.

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