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Kultur: Debussy ohne Doping

achtet auf einen sauberen Wettbewerb Kaum einer kann noch mithalten bei dem Tempo, mit dem die Meinungsführer der historisierenden Aufführungspraxis sich ihren Weg durch das 19. Jahrhundert bahnen.

achtet auf einen sauberen Wettbewerb Kaum einer kann noch mithalten bei dem Tempo, mit dem die Meinungsführer der historisierenden Aufführungspraxis sich ihren Weg durch das 19. Jahrhundert bahnen. Während es von der Gründung der ersten Ensembles wie des Concentus Musicus Wien fast drei Dekaden dauerte, bis Harnoncourt und Consorten wagten, Hand an Mozart und Haydn zu legen, fand in den letzten Jahren so etwas wie ein Wettlauf zwischen den Champions statt: Wer schafft den ersten Schönberg? Und wer den ersten „Parsifal“? Norrington, Minkowski oder doch Altmeister Harnoncourt? Beim Sprint durch die Musikgeschichte wird freilich immer öfter gedopt: An die Stelle des „natürlichen“ historisch getreuen Klangs treten immer mehr moderne Hochleistungsinstrumente, die alte Spieltechniken imitieren.

Der flämische Dirigent und Pianist Jos van Immerseel allerdings gehört zu den sauberen Originalklang-Athleten – schon jedes seiner CD-Booklets liest sich wie ein detaillierter Rechenschaftsbericht. Welcher Stimmton war im Wien der Schubert-Zeit gängig? Wie schnell wurde eine Johann-Strauss-Polka ursprünglich getanzt? Wie hörte sich die originale Celesta an, die Tschaikowsky in seinem „Nussknacker“ einsetzte. Dass all diese Fakten bei Immerseel und seinem Kammerorchester Anima Eterna kein Theoriewissen bleiben, dafür bürgen nicht nur seine CDs, wovon sich die Berliner im März bei seiner frenetisch gefeierten „Entführung aus dem Serail" im Rahmen des Zeitfenster-Festivals überzeugen konnten. Für sein Debussy-Programm im Rahmen der Festspiel-Reihe „Konzerte/ Oper 04“ hat er sein Ensemble allerdings zu Hause gelassen und statt dessen einen historischen französischen Erard-Flügel aus seiner umfangreichen Sammlung mitgebracht. Diese hell und transparent klingenden Klaviere mit ihren trockenen, leichten Bässen sind sozusagen gleich weit von den Hammerflügeln Beethovens und den modernen Steinways entfernt – Stücke wie die „Hommage á Rameau“ oder „Feuilles mortes“, die Immerseel am Donnerstag im Kammermusiksaal spielt, gewinnen auf einem Erard eine reizvoll feintönige Zerbrechlichkeit.

Bahnt Immerseels Debussy den Weg zurück in die Intimität, führen Simon Rattle und die Philharmoniker tags drauf (auch am 18./19.9.) das genaue Gegenteil vor und präsentieren bei ihrem Debussy-Programm in der Philharmonie orchestrale Arrangements dreier Préludes, darunter übrigens auch der „Feuilles mortes“.

Jörg Königsdorf

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