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Kultur: Dein Fotofreund und Helfer

„Im Dienst“: Der Schweizer Alltagskünstler Arnold Odermatt fotografiert seine Kollegen

Ob die Fotos ihren Zweck erfüllt haben? „In den rebellischen Jahren um 1968 wurde niemand freiwillig Polizist“, schreibt Urs Odermatt, der Sohn des Fotografen. Also ging Arnold Odermatt, geboren 1925, fotografierender Landjäger bei der Polizei im Schweizer Kanton Nidwalden, mit seiner Rolleiflex ans Werk. Schickte die Kollegen zum Friseur, inszenierte sie bei Schießübungen, beim Baden, mit Motorrad im Wald. Das Ergebnis: üppige Farbbilder, gut gelaunte Polizisten. So attraktiv ist der Beruf, sollten diese Bilder sagen. Ob es danach deutlich mehr Bewerber für den Nachwuchs in Nidwalden gab – man weiß es nicht.

Heute sieht man in Odermatts Bildern vor allem Kunst. Spätestens seit der Kurator Harald Szeemann 2001 die SchwarzWeiß-Bilder von Autounfällen, die Odermatt in 40 Dienstjahren dokumentiert hatte, für die Biennale in Venedig entdeckte, gilt der Schweizer Alltagsfotograf mit Künstlerblick als Publikumshit. Die unfreiwillige Komik eines Unglücks, die lakonische Bildhaltung im Stil eines Film Noir, das kunstvolle Arrangement, all das macht die Bilder so populär. Die Rätsel hinter den banalen Motiven, ihre Phantasie freisetzenden Leerstellen hat 2006 auch die Ausstellung „(Tat)Orte. Weegee, Arnold Odermatt, Enrique Mertinides“ im Kunstforum NRW Düsseldorf eindrucksvoll vorgeführt.

Nun sind nach den Schwarz-Weiß-Bildern die Farbfotografien an der Reihe. Die Berliner Galerie Springer & Winckler, die sich schon seit längerem um das Werk Arnold Odermatts kümmert, hat aus einem gerade im Steidl Verlag erschienenen Bildband („Im Dienst“, Steidl Verlag, November 2006, 65 Euro) etwa 30 Motive ausgesucht und in 15-er Edition herausgebracht (je 5000 Euro). Nicht mehr die Tatorte, sondern die Kollegen stehen im Zentrum. Aber auch hier hat Odermatt eindeutig mit Kunstblick gearbeitet. Die geschmolzenen Scheinwerfer von in Brand geratenen Autos, die er in Großaufnahme zeigt, sind in eklig buntem Schaum erstarrt und wirken wie Skulpturen – sage keiner, Odermatt habe diese vom Dokumentationswert her völlig überflüssigen Aufnahmen nicht aus eigenem Interesse gemacht. Auch die Kollegen, die mit weißem Motorboot cooll über den See brausen, könnten aus jedem französischen Gendarmerie-Spielfilm der Sechzigerjahre stammen. Und spätestens, wenn sie mit ihren Geschwindigkeitskontrollen versteckt an der Autobahn lauern oder in Badehose die Wiederbelebung Ertrunkener proben, ist da bei allem guten Willen wieder die typisch Odermatt’sche Situationskomik. Bloßgestellt wird in diesen freundlichen, durchaus ernst gemeinten Fotografien niemand – aber das absurde Unterfangen, Realität in der Ausbildung zu simulieren, spricht aus allen Bildern. Stoisch etwas erkennbar Sinnloses tun – das ist die Kunst dieser Polizisten. Odermatt hat ihnen mit seinen Bildern ein Denkmal gesetzt.

Springer & Winckler, Fasanenstraße 13, bis 17. März; Dienstag bis Freitag 10 – 14 und 15 – 18 Uhr, Sonnabend 12 – 15 Uhr.

Christina Tilmann

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