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Kultur: Delikatessen: "The Jazz Singer"

Mit Erfindungen ist es immer so eine Sache: Entgegen gängigen Vorstellungen und Legenden sind sie meist nicht dem Geistesblitz eines einzigen Genies entsprungen, und so kann ein genauer Urheber meist so wenig bestimmt werden wie ein genauer "Geburtstag" der Neuerung. Zum Beispiel gilt The Jazz Singer landläufig als der erste Tonfilm.

Mit Erfindungen ist es immer so eine Sache: Entgegen gängigen Vorstellungen und Legenden sind sie meist nicht dem Geistesblitz eines einzigen Genies entsprungen, und so kann ein genauer Urheber meist so wenig bestimmt werden wie ein genauer "Geburtstag" der Neuerung. Zum Beispiel gilt The Jazz Singer landläufig als der erste Tonfilm. Dabei hatte es Filme mit Ton durchaus schon zuvor gegeben, und vor allem ist der 1927 entstandene Film gar kein "All-Talkie", also ein Werk, in dem durchgehend gesprochen wird (im Gegensatz zu dem 1928 gedrehten "The Singing Fool/Sonny Boy", ebenfalls mit Al Jolson in der Hauptrolle, der bei uns auch deshalb besser in Erinnerung blieb, weil er ein halbes Jahr früher in die deutschen Kinos kam).

Er repräsentiert vielmehr eine Form von Film, die während der - wesentlich von ihm ausgelösten - Umstellung vom stummen auf tönendes Leinwandgeschehen häufig anzutreffen war: Nur einige Szenen und Sequenzen wurden, statt wie bisher stumm zu laufen, mit Dialog und Gesang versehen. Zwar war deren Wiedergabequalität grottenschlecht, doch spielte dies damals angesichts der technischen Attraktion des neuen Tonfilms keine Rolle - und entsprach auch durchaus dem Niveau des gesamten Werks, das der heute völlig vergessene Alan Crosland inszeniert hat.

Der unterdessen bisweilen vorgebrachte Vorwurf des zumindest latenten Rassismus allerdings erscheint an den Haaren herbeigezogen: Zwar geht es um einen Weißen, der als Schwarzer geschminkt auftritt. Aber dies dokumentiert nur deutlich den damaligen Alltag im amerikanischen Showgeschäft, wo man auf der Bühne wie im Parkett die Rassentrennung pflegte. Vor allem dient es hier als Gleichnis auf die tiefgreifende Identitätskrise eines Kantorensohnes, der zum Entsetzen seines Vaters aus dem orthodoxen Milieu ausgebrochen ist und seine Sangeskunst in den Dienst weltlicher Zwecke, zumal der profanen Unterhaltung, gestellt hat. Und der Spiegelblick in sein schwarz bemaltes Gesicht ist jener Moment, in dem der Protagonist seiner Entfremdung am deutlichsten gewahr wird

Jan Gympel

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