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Kultur: Den Flüssen folgen

Wiener Aktionismus: Galerie Heike Curtze eröffnet in Berlin

„Berlin ist einfach kreativer als Düsseldorf.“ Das charmante Kompliment stammt nicht etwa von einem Galerien-Start-up aus der Berliner Mitte, sondern von einer Galeristin, die es wissen muss. 1974 eröffnete Heike Curtze ihre erste Galerie in Düsseldorf. Zwei Jahre später zog es sie nach Wien, wo die promovierte Kunsthistorikerin schon ihre Studienzeit verbracht hatte. Im vergangenen Jahr schloss Curtze die Düsseldorfer Räume zugunsten einer Hauptstadt-Dependance, wenngleich ihr die hiesigen Probleme ebenso bekannt sind wie der Mangel an potenten Sammlern. Doch mit eben dem Optimismus und der Beharrlichkeit, mit denen sie seit den siebziger Jahren die seinerzeit umstrittenen Wiener Aktionisten in den Metropolen an Rhein und Donau durchsetzte, betrachtet sie auch ihre hiesige Zukunft.

Heike Curtze denkt und arbeitet langfristig und ist modischen Trends gegenüber skeptisch. So siedelt sie ihre neuen Räume dann auch im eher traditionellen Charlottenburg an. „Die Wiener Kunst ist hier immer noch unterbewertet. Ich möchte sie präsenter machen“, sagt die Galeristin und widmet die Eröffnungsausstellung den Künstlern, die das Profil der Galerie von Anbeginn an geprägt haben und heute zu den Wiener Klassikern der Nachkriegsmoderne zählen. Denn das Image des skandalträchtigen Bürgerschrecks haben Attersee, Günter Brus, Hermann Nitsch und Arnulf Rainer längst hinter sich gelassen. In der ruhigen, auf Malerei und Zeichnung fokussierten Präsentation beweisen insbesondere Günter Brus und Hermann Nitsch, wie erfrischend sie auch im klassischen Genre wandeln. Attersees Austritt aus dem Bilde lässt dagegen die einstmals sprengende Expressivität vermissen, die Ton in Ton bemalten Rahmen wirken in ihrer Gefälligkeit grenzwertig. Vielleicht können die lyrisch verschlüsselten Bilder (19 200 bis 64 000 Euro) aber auch nur neben den drei fulminanten Tafeln von Hermann Nitsch schwer bestehen. Die Schüttbilder aus der vor zwei Jahren begonnenen „Auferstehungsserie“ (45000 bis 55000 Euro) wirken in ihren leuchtenden Sonnengelb- und Rottönen wie die eines Geläuterten. Als selbstreferentielle Zeichen an die Blutschlachten des Orgien-Mysterien-Theaters tröpfeln lediglich Spuren dunklen Rots aus dem unteren Bildrand der Seitentafeln, und ein Priestergewand bestimmt das Zentrum des Triptychons.

Auch Günter Brus’ „Bild-Dichtungen“ nehmen sich vergleichsweise harmlos, aber durchaus kraftvoll aus. Obschon die letzte Selbstverstümmelung 1970 stattfand, ist der Mitbegründer des Wiener Aktionismus hauptsächlich mit seinen Körpersezierungen im allgemeinen Bewusstsein. Dicht und poetisch wirkt die achtteilige Serie „Das Meer, uferlos“ (64 000 Euro), mit der sich Brus nicht nur als hintergründiger Zeichner, sondern einmal mehr als kongenialer Wortschöpfer empfiehlt, wenngleich die Texte „schauen und nicht lesen“ einfordern und „weit und breit nur Höhe und Tiefe“ ausmachen. Sätze von derart philosophischem Humor purzeln leichtfüßig aus den tiefblauen Konterfeis, von denen eines wie ein Selbst aus aktionistischen Tagen zwinkert.

Die Arnulf-Rainer-Wand nimmt sich mit Werken von 1955 bis in die Gegenwart wie eine Miniatur-Retrospektive aus. Von einer schwarzen Übermalung auf Ocker (147 000 Euro) über die frühe Fotoübermalung „Blitz“ (15 000 Euro) von 1973 bis zum zeichenhaften „Mikrokosmos“ (je 5830 Euro) sind bedeutende Stationen vereint.

„Ohne Handel kein Wandel“, schreibt Günter Brus im Katalog zum 25-jährigen Bestehen der Galerie Curtze. Möge der Wandel der Galeristin den Handel folgen lassen - in Berlin schließt sie in jedem Fall eine wichtige Lücke. Michaela Nolte

Galerie Heike Curtze, Mommsenstraße 11, bis 26. Oktober; Mittwoch bis Freitag 16-19 Uhr, Sonnabend 12-16 Uhr.

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