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Kultur: Den Rechtsstaat verteidigen: Diether Posser, Anwalt an der "juristischen Front"

Die dunklen Flecken in der Frühzeit des bundesrepublikanischen Rechtsstaats sind heute fast vergessen. Wenn überhaupt, so kennt man das damals spektakuläre und umstrittene Verbots-Urteil gegen die KPD von 1956 durch das Bundesverfassungsgericht.

Die dunklen Flecken in der Frühzeit des bundesrepublikanischen Rechtsstaats sind heute fast vergessen. Wenn überhaupt, so kennt man das damals spektakuläre und umstrittene Verbots-Urteil gegen die KPD von 1956 durch das Bundesverfassungsgericht. Zumeist unbekannt hingegen sind die zahlreichen Fälle der Kriminalisierung von Friedensaktivisten, Pazifisten und linken Intellektuellen durch Polizei und deutsche Gerichte in der Zeit der 50er und auch noch der 60er Jahre. Umso lobenswerter ist das jetzt erschienene Buch von Diether Posser. Der 1922 geborene Jurist und spätere Justiz-, und Finanzminister Nordrhein-Westfalens berichtet von der vordersten "juristischen Front": als Strafverteidiger während des Kalten Krieges. Als Sozius in Gustav Heinemanns Anwaltskanzlei nahm er an vielen Verfahren teil.

Die um nüchterne Sachlichkeit bemühte, gleichwohl im Sinne der Verteidigung rechtsstaatlicher Prinzipien parteiische Darstellung ist zwar zunächst eine Beschreibung von Fällen. Dahinter stehen jedoch die Schicksale von unschuldigen Friedensaktivisten, die die politische Strafjustiz zu Staatsfeinden machte und durch Haft sowie Diskriminierung schwer beschädigte.

Erschütternd und juristisch fragwürdig etwa das Verfahren gegen den Oberbürgermeister der Stadt Mönchengladbach, Wilhelm Eifels, einen früheren Adenauer-Freund. Als Eifels 1953 das Grab seines im Zweiten Krieg gefallenen Sohnes in Dänemark besuchen und zu dessen Kinder nach Holland reisen wollte, wurde ihm dies verweigert. Man "begründete" das Verbot mit seinem Einsatz in der "Gesellschaft für die Wiedervereinigung Deutschlands" sowie im "Weltfriedenausschuss" und damit, dass dadurch die "äußere und innere Sicherheit Deutschlands" gefährdet sei.

Mehrere solcher Fälle beschreibt der 78-jährige Posser in seinem Buch. Die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik war ja nach der Berlin-Blockade 1948 und Gründung der DDR 1949 geradezu von antikommunistischer Hysterie geprägt. In Amerika sei die "Hexenjagd" der McCarthy-Ära früher beendet worden als in Deutschland. Für Posser ein Zeichen der Stärke demokratischer Selbstheilungskräfte in Amerika. In Deutschland jedoch habe eine maßgebliche Reform des politischen Strafrechts erst 1968 stattgefunden - unter Federführung des Justizministers Heinemann.

Posser schaut nicht nur nach Westen. Als einstiger Spezialist für den Gefangenenaustausch zwischen Ost und West nennt er auch nicht minder erschütternde Beispiele für DDR-Unrecht: etwa im Falle der Entführung von Heinz Brandt, Redakteur der IG Metall. Auch die Darstellung der Praxis des Häftlingsfreikaufs, bei dem das DDR-Regime in Manier eines Kapitalisten die Preise in die Höhe trieb, lässt den generellen Unterschied der freiheitlichen Ordnung der Bundesrepublik und der diktatorischen DDR deutlich werden.

Gerald Glaubitz

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