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DENKEN MIT CHARISMASusan Sontag in einer Biografie: Vereinfachung? Niemals!

Sie wollte nie das Orakel von Manhattan werden, als das Amerika sie sah. Rätselsprüche wie politische Gratisbekenntnisse waren ihr verhasst.

Von Gregor Dotzauer

Sie wollte nie das Orakel von Manhattan werden, als das Amerika sie sah. Rätselsprüche wie politische Gratisbekenntnisse waren ihr verhasst. Susan Sontag, 2004 mit 71 Jahren gestorben, hatte Erfahrungen, Haltungen und Überzeugungen, aber mindestens so viele Skrupel, damit ihren intellektuellen Ort zu bestimmen. „Die erste Verpflichtung eines Schriftstellers“, erklärte sie einmal, „besteht nicht darin, Meinungen zu haben, sondern die Wahrheit zu schreiben und sich zu weigern, ein Komplize von Lügen und Desinformation zu werden. Literatur ist der Ausdruck von Nuancierung und Widerstand gegen die Stimmen der Vereinfachung.“

Susan Sontag wollte alles können: das mitreißende Reden und das komplexe Schreiben, das Verfassen von bewegenden Romanen wie von klugen Essays, das Erfinden und Inszenieren von Theaterstücken wie das Drehen von Filmen. Nichts von alledem tat sie als Dilettantin. Doch ihr Erfolg als Essayistin bestätigte ihr stärkstes Talent. Von der Autorin der „Notes on Camp“, die 1964 in der „Partisan Review“ ihre Karriere auf den Weg brachten, wird man noch in Jahrzehnten reden, auch von ihrem persönlichsten Buch „Krankheit als Metapher“, das man mit seinem Nachdenken über das Zerstörungswerk des Krebs als Epitaph lesen muss.

Der 30-jährige Journalist Daniel Schreiber hat bei Aufbau die erste deutsche Biografie von Sontag vorgelegt. Ihr Titel „Geist und Glamour“ verweist darauf, dass sie auch eine hinreißende Erscheinung war: als junge Frau eine Schönheit – und noch im Alter charismatisch bis in die kleinste Handbewegung. Im Gespräch mit Andreas Isenschmid stellt Schreiber sein Buch jetzt vor. Gregor Dotzauer

Literaturhaus, Do 10.1., 20 Uhr, 5 €, erm. 3 €

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