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Kultur: Denker vor der Glotze

Roboter sind auch nur Menschen: die Ausstellung „Smile Machines“

Er ist dringend hilfsbedürftig, der sprechende Roboter im drehbaren Holzkasten. „Bitte, kommen Sie näher“, fleht er den Besucher an. „Greifen Sie zu“. Und wird dann schnell anspruchsvoller, aggressiver. „Rechts herum, links herum, falsche Richtung, schneller!“, und: „Sie könnten sich ruhig etwas mehr anstrengen!“ Die Maschine als Mensch: Norman Whites interaktiver Roboter „The Helpless Robot“ kann ziemlich nerven.

Auch der zweite Roboter ist nicht mehr ganz auf der Höhe: Simon Pennys „Petit Mal“ fährt zwar sicher auf zwei Rädern im Kreis, kann mit seinem Kamera-Kopf aber nur eingeschränkt fokussieren. Erfasst er den Besucher, der in seine Arena tritt, verbeugt er sich oder weicht scheu zurück. Oft genug aber verliert er ihn auch einfach aus den Augen.

Maschinen, die den Bediener entnerven oder in ihrer Hilflosigkeit fast Zärtlichkeit wecken: die Zeiten, in denen die Maschinisierung der Alltagswelt als Bedrohung begriffen wurde, scheinen passé. Heute reicht es bestenfalls für Slapstick-Einlagen, wenn etwa die mexikanische Künstlerin Ximena Cuevas in ihrem Video „Before Television“ im Stummfilm-Stil den Kampf einer Hausfrau mit ihrem widerspenstigen Staubsauger zeigt. Jean-Pierre Gauthier wiederum entdeckt in seiner zauberhaften Installation „Remue-ménage“ die Poesie der Alltagsgegenstände: Da tanzen, auf Bewegungen des Besuchers reagierend, Besen, Eimer und Müllsäcke an Schnüren, während sich eine Plastikfolie majestätisch gen Himmel hebt. Slapstick und Poesie: diese Maschinen machen Spaß.

Bedrohlicher scheint immer noch die Erkenntnis, dass der Mensch sich unter dem Druck von Medien und Öffentlichkeit immer mehr selbst zur Maschine entwickelt: Christian Möller zum Beispiel lässt in „Cheese“ sechs Frauen zum Dauerlächeln antreten. Eine Kamerainstallation testet gleichzeitig die „Wahrhaftigkeit“ der Emotion: lässt diese nach, verblasst das Lächeln, ertönt Alarm, und eine Lampe schaltet von Grün auf Rot. Vielleicht hätte den Damen, die über 90 Minuten mühsam die Fassung wahren, George Maciunas’ „Smile Machine“ geholfen: ein GummiSpiral-Gestell, das den Mund zum Dauerlächeln zwingt: mehr Folter als Fröhlichkeit.

„Smile Machines“ heißt auch die erhellende Ausstellung, die die französische Kuratorin Anne-Marie Duguet für die diesjährige Transmediale in der Akademie der Künste eingerichtet hat – eine Folge der Förderung durch die Bundeskulturstiftung, die dem seit 1988 existierenden Medienkunstfestival als Bedingung eine groß angelegte Ausstellung auferlegt hatte. Doch nur Spaß ist nicht zu erwarten: in Eva Meyer-Kellers „Death is Certain“ probiert die Künstlerin sämtliche Folter-Methoden an unschuldigen Kirschen aus, die gehäutet, verbrannt, zermatscht, zerstückelt und begraben werden. Schwarzer Humor auch in Maja Bajevics „Black In Black“: Sie sammelt Witze in Sarajewo, die sich ihren eigenen Reim auf die Absurditäten der Kriegsrealität machen.

Das subversive Potential, welches Kunst und Humor verbindet, ist für die französische Kuratorin das Hauptkriterium. Entsprechend variieren die Beiträge zwischen den eleganten Nonsense- Performances eines Robert Filliou, der seinen eigenen Videovorgaben mehr oder weniger getreu folgt, und den bissigen Hitler-Kommentaren von Tamy Ben-Tor. Über allem schwebt der vor wenigen Tagen verstorbene Multimedia-Pionier Nam June Paik, dem die ganze Ausstellung gewidmet ist und der in seiner Installation „Der Denker – TV Rodin“ Rodins berühmte Skulptur in eine erkenntnistheoretische Endlosschleife setzt: Der Denker hockt vor der Glotze und betrachtet sein eigenes Medienbild.

Doch oft genug landet man, dem Transmediale-Motto „Reality Addicts“ gemäß, wieder bei der politischen Intervention. Annette Messager stickt sexistische Sprüche auf Tücher. The Yes Man aus den USA treten auf einer internationalen Banker-Konferenz in London auf und referieren über den „akzeptablen Grad an Risiken“: Am Ende bedanken sich die Tagungsteilnehmer allen Ernstes und tauschen Visitenkarten aus. Unterwanderung, Infiltration, subversiver Eingriff auch bei der Schweizer Gruppe Uebermorgen, die dem Besucher nach der selbst diagnostizierten Krankheit täuschend echte Rezepte ausstellt. Und Maurice Benayoun durchforstet das Internet in seiner „Emotion Vending Machine“ nach frei kombinierbaren Emotionsvorgaben: „verängstigt“, „deprimiert“ und „ekstatisch“ ergibt ein Weltbild, das nach Häufigkeit der Emotionen farbig geordnet ist. Deprimiert sind dabei vor allem Europäer.

Christina Tilmann

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