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Kultur: Der 100-Millionen-Mann (Kommentar)

Hätte Georg Quander bei Kai Pflaume mitgespielt und hätte er gewonnen - es hätte nicht gereicht. Es reicht ja nie.

Hätte Georg Quander bei Kai Pflaume mitgespielt und hätte er gewonnen - es hätte nicht gereicht. Es reicht ja nie. Zehn Millionen Mark kann - theoretisch - der Sieger aus der neuen Quiz-Show "Die Chance deines Lebens" im Koffer nach Hause tragen. Das ist inflationärer Wahnsinn, Fernseh-Weltrekord! Doch Georg Quander ist kein Pflaume-Kandidat, sondern Intendant der Berliner Staatsoper. Und sein Haus braucht auch nicht zehn, sondern 100 Millionen Mark für die dringend notwendige Sanierung. Sagt Quander: "Wir haben hier eine lebensgefährliche Bedrohung." Das mag so sein. Und auch ein bisschen übertrieben. Das ist normal - sonst hört ja keiner hin. 100 Millionen Mark: Da spekuliert Quander mit dem Pflaume-Effekt. 100 Millionen lassen keinen kalt. Der Lindenoper droht der Verfall? Das möchte auch keiner riskieren. Aber warum kommt Quander gerade jetzt mit seiner Brandmeldung? Hängt es damit zusammen, dass sein Vertrag in Kürze ausläuft und noch nicht verlängert wurde? Auch die Volksbühne bröckelt. Aber dort sollen bescheidene neun Millionen Mark das Schlimmste verhüten. Ähnlich viel - oder wenig - kostet die Renovierung des Maxim Gorki Theaters vis-à-vis der Lindenoper. Der Komischen Oper wiederum wurden die geforderten drei Millionen Mark für die Sanierung versagt. Die Preisfrage lautet: Ist der baulich-technische Zustand der Staatsoper Unter den Linden tatsächlich so hundsmiserabel, wie der 100-Millionen-Mann behauptet, oder geht es in Wahrheit um verkapptes Defizit-Management? Anders gefragt: Ist Georg Quander ein verantwortungsvoller Intendant, der Schaden von seinem Haus abwenden will, oder hat er jeglichen politischen Verstand verloren, in der augenblicklichen Situation 100 Millionen Mark zu fordern, wofür auch immer? Ob Quander damit weiterkommt oder ausscheidet, das hat sehr viel mit dem Zustand des subventionierten Opern- und Theaterbetriebs überhaupt zu tun. Sanierung oder Verfall - die großen Bühnen sind zu Altertümern, musealen Inseln geworden. Das ist ihre Chance des Überlebens.

Rüdiger Schaper

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