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Kultur: Der andere Held

Es war einmal ein deutscher Nationalheld, schmächtig von Statur, mächtig als General.Gelernt hatte er das Kriegshandwerk in Dänemark, seinen ersten militärischen Erfolg feierte er 1864.

Von David Ensikat

Es war einmal ein deutscher Nationalheld, schmächtig von Statur, mächtig als General.Gelernt hatte er das Kriegshandwerk in Dänemark, seinen ersten militärischen Erfolg feierte er 1864.Da war er an der Führung der preußischen Armee beteiligt, die besiegte damals die dänische, welche der Militär lange zuvor verlassen hatte, weil er hier nicht genug Sold bekam.Zum richtigen Helden wurde der General, Helmuth von Moltke hieß er, mit den folgenden Siegen: gegen Österreich, gegen Frankreich.Im bald darauf gegründeten Kaiserreich galt er als einer der großen Männer, denen die Deutschen ihre Einheit zu verdanken hatten.Sie bauten ihm zu Lebzeiten viele Denkmäler, 21 Städte machten ihn zum Ehrenbürger.Darunter Berlin - ein Moltke-Denkmal steht in Tiergarten am Großen Stern.

Aber schneller als die Berliner waren die stolzen Bürger von Parchim: Die hatten in ihren Unterlagen nachgeschaut und herausgefunden, daß Helmuth von Moltke in ihrer Stadt geboren war.Schon 1867 machten sie den Feldherrn zum Ehrenbürger.Neun Jahre später hatten die Parchimer genug Geld beisammen, um ihm ein Denkmal zu errichten.Zur Einweihung führte der örtliche Kriegerverein ein Theaterstück auf: "Die Uniform des Feldmarschalls von Moltke, Schwank in 1 Act".Jedes Jahr am Sedan-Tag versammelten sich die Bürger am Denkmal ihres großen Sohnes und feierten seine großen Schlachten.Sie benannten ein Hotel, eine Apotheke, einen Ersatzkaffee und eine Mehlsorte nach ihm.Daß das Moltke-Denkmal noch heute in Parchim steht, ist, so wird erzählt, einem Russen zu verdanken.Als der kommunistische Bürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg das "Militaristen-Memorial" abreißen wollte, soll ihn der sowjetische Stadtkommandant gescholten haben.Immerhin wurde der Platz umbenannt: Aus "Moltkeplatz" wurde der "Platz der Arbeit".

1991 kam dann wieder alles anders.Die Parchimer besannen sich, daß ihre Stadt einmal "Moltke-Stadt" gewesen war und gaben dem Platz seinen ursprünglichen Namen.Bei den alten Sedanfeiern anno dazumal mögen mehr Leute zugegen gewesen sein als die etwa 30, die nun der Bürgermeisterrede zum 100.Todestag des Generals lauschten.Aber einen gewissen Fremdenverkehrseffekt und die Anlockung geschichtsbewußter Investoren erhofften manche Parchimer schon.Im benachbarten Dorf Spornitz wurde ein kleines "Graf-Moltke-Hotel" eröffnet.Nur irgendwie hat es nicht funktioniert.1997 ging das Hotel pleite, die neuen Besitzer nennen ihre Herberge jetzt "Landhotel Spornitz".

Helmuth von Moltke wurde 1891 auf seinem Kreisauer Landgut begraben, im damals deutschen und heute polnischen Schlesien.Daß eben jenes Landgut in den vergangenen Jahren mit viel Aufwand und deutschen Geldern wiedererrichtet wurde und deshalb im Juni dieses Jahres einige Aufmerksamkeit auf sich zog, ist jedoch nicht auf die Bedeutung des Generals zurückzuführen.Ursache dafür ist sein Urgroßneffe, Helmuth James von Moltke.Auch er war ein Held, in einem anderen Sinne als sein Urahn.Ihm wurde kein Denkmal geweiht.Eine Grabstätte, an der man Blumen niederlegen könnte, gibt es nicht.Seine Asche wurde im Januar 1945 auf einem Berliner Rieselfeld verstreut.Helmuth James von Moltke war ein Verschwörer.Die Nazis legten ihm die Vorbereitung des Hitlerattentats vom 20.Juli 1944 zur Last, verurteilten ihm zum Tode, erhängten ihn.Helmuth James von Moltke hatte das Familiengut in Kreisau zum Treffpunkt von Hitler-Gegnern gemacht.Die Gestapo nannte die Widerstandsgruppe den "Kreisauer Kreis".Seit 1940 schmiedeten die "Kreisauer" Pläne für ein friedliches Nachkriegsdeutschland, das in ein vereinigtes, föderal regiertes Europa eingehen sollte.

Die Tatsache, daß im "Kreisauer Kreis" Menschen sehr unterschiedlicher Weltanschauung für den Widerstand zusammengearbeitet hatten, sowie die Nachkriegsgeschichte des schlesischen Landgutes brachten in den späten 80er Jahren DDR-Oppositionelle auf die Idee, hier eine internationale Begegnungsstätte zu errichten.Gemeinsam mit polnischen Freunden und Leuten aus der Bundesrepublik und Holland wurden Konzeptionen erarbeitet, die jedoch erst nach dem Sieg der polnischen Opposition 1989 und nach dem Zusammenbruch der osteuropäischen Regimes umgesetzt wurden.Die polnische und die deutsche Regierung griffen die Idee der Begegnungsstätte in Kreisau auf.Mit einem Staatsakt eröffneten der deutsche Bundeskanzler und der polnische Premierminister am 11.Juni dieses Jahres die "Internationale Begegnungsstätte Kreisau".Die 29 Millionen Mark, mit denen die "Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit" das Projekt unterstützt hat, waren für den Wiederaufbau des Gutes und für die Erstausstattung bestimmt.Beim weiteren Betrieb sind die "Kreisauer" von heute ganz auf sich selbst gestellt.Es ist fraglich, wie sich eine so komfortable "Begegnungsstätte" durch Schülertreffen, Künstlerworkshops und wissenschaftliche Konferenzen "selbst tragen" kann.Auf die Erfahrungen, die Helmuth James von Moltke in den späten zwanziger Jahren gemacht hat, wird man schwerlich zurückgreifen können.Damals konnte der Gutsherr das Anwesen knapp vor Konkurs und Zwangsvollstreckung bewahren.In jenen Jahren war das Gut auf die Getreide- und Holz-Produktion spezialisiert.Obwohl die derzeitige Situation weit entfernt ist von der Dramatik der zwanziger Jahre, sind doch große Anstrengungen erforderlich, um weiterhin an die notwendigen Gelder zu gelangen.Da geht es um ein paar Mark mehr, als beispielsweise die Pflege des Moltkedenkmals in Parchim erfordert.

Nun ist in der ehemaligen "Moltke-Stadt" in Mecklenburg erstmals eine Ausstellung eröffnet worden, die sich mit beiden Moltkes befaßt.Das Augenmerk richtet sich besonders auf die europäische Entwicklung der letzten 200 Jahre, wie sie sich in Leben und Wirken der Protagonisten spiegelt, trägt den etwas verwirrenden Titel "DiVisionen für Europa".Die sehr unterschiedliche Form der Erinnerung an den General und seinen Urgroßneffen ist ebenfalls Bestandteil der Präsentation von Fotografien, Bildern und Dokumenten, die später auch in Polen gezeigt werden soll.In der Schau finden sich Bilder von der Begegnungsstätte in Kreisau und die Reproduktion einer "Graf-Moltke-Ehrenscheibe 1891-1991".Sie wurde anläßlich des 100.Todestages "zu Ehren des Parchimer Ehrenbürgers" vom Schützenverein Raduhn-Rusch gestiftet und beschossen: ein Brückenschlag des Gedenkens zwischen den Traditionen des soldatischen Preußentums und dem mecklenburgischen Volkstum von heute.

"DiVisionen für Europa".Historische Ausstellung der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern in Parchim: bis 23.9.im Rathausgewölbe, 25.9.- 14.10 in der St.-Georgen-Kirche.Zweisprachiger Katalog.

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