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Kultur: Der Bauch der Giraffe

„Postcards from the Zoo“ im WETTBEWERB.

Die Magie im Kino hat man in der ersten Wettbewerbshälfte ein bisschen vermisst. Da gab es wenig Fantastisches oder Visionäres, kaum Parallelwelten, Gegenwelten, Märchenwelten. Seit Dienstag ist das anders: „Tabu“ aus Portugal, das chinesische Historienpanorama „White Deer Plain“ (siehe S. 25) und „Postcards from the Zoo“ aus Indonesien lehren einen wieder das Staunen.

Der Zoo von Jakarta ist nachts ein verwunschener Ort. Die Tiergeräusche im dschungelähnlichen Park! Die klappernden Pelikane! Die großen Plastiktiere an den Weggabelungen, die stolze Giraffe im Zwielicht, die niemals schläft! Hier wächst Lana auf, der Vater hat sie ausgesetzt, in der Heimat der Heimatlosen, der Tiere wie der Menschen, auch Wärter und Tagelöhner wohnen hier.

In diesem Mikrokosmos der Flüchtlinge, Gefangenen und Migranten, die ihrer natürlichen Umgebung entrissen sind und sich einrichten zwischen Gittern und Gräben, poetisiert der indonesische Regisseur Edwin das Politische und entfaltet eine Coming-of-Age-Story. Die schöne Lana (Ladya Cheryl) läuft auf Stelzen, um es der Giraffe gleichzutun, sie plaudert mit dem Tiger, der nicht essen will, sieht, wie die Flusspferde im Tümpel abtauchen, wie die Dinosaurierwaggons auf der Achterbahn rattern und der Elefant sein Ohr flappen lässt. Manchmal gleitet sie im Schwanentretboot über den See.

Sehen und gesehen werden, das haben Zoo und Kino gemeinsam. Auch das Kindliche an der Schaulust, und die Scheu, mit Händen zu greifen, was einem vor Augen gerät. Ein Cowboy-Magier taucht im Zoo auf und lehrt Lana neben dem Staunen über Feuerkugeln und Zauberkästen auch die Kunst der Berührung. Mit ihm wagt sie sich aus dem Zoo und arbeitet, als ihr Gefährte sich in Flammen aufgelöst hat, in einem Sexmassagesalon. Statt Pelz und Gefieder fasst Lana nun Männer an, reibt Öl in deren Haut. Nein, kein Realitätsschock, kein Prostitutionselend, nur der Anlass für Lana, sich in den Zoo zurückzusehnen und zurückzustehlen, das Märchenland für Unbehauste. Am Ende weiß auch der Zuschauer, wie sich hoch über dem eigenen Kopf der Bauch einer Giraffe anfühlt.

Die Wirklichkeit, sagt Regisseur Edwin, der 2005 am Talent-Campus teilnahm und in Indonesien als Kultfigur des unabhängigen Kinos gilt, ist das Rohmaterial für unsere Träume. Sein Film sendet zauberhafte Botschaften aus dieser Traumwelt zurück in die Welt der verlorenen Seelen, von denen so viele BerlinaleFilme erzählen. Christiane Peitz

16.2., 9.30 Uhr und 20.30 Uhr (Friedrichstadt-Palast), 19.2., 22.30 Uhr (Haus der Berliner Festspiele)

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