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Kultur: Der Bienenzüchter

Da kommt Leben in die Bude: Während die Bühnenarbeiter der Sophiensäle noch an der Beleuchtung basteln, machen die Tänzer der Moskauer "Klasse für expressive Bewegung" ihrem Namen alle Ehre.Auf schwarzen Gummimatten wälzen und schütteln sie sich, stampfen und trampeln mit den Füßen, kriechen auf allen Vieren und hopsen herum.

Da kommt Leben in die Bude: Während die Bühnenarbeiter der Sophiensäle noch an der Beleuchtung basteln, machen die Tänzer der Moskauer "Klasse für expressive Bewegung" ihrem Namen alle Ehre.Auf schwarzen Gummimatten wälzen und schütteln sie sich, stampfen und trampeln mit den Füßen, kriechen auf allen Vieren und hopsen herum.Es ist nur das Aufwärmtraining und könnte doch schon eine Choreografie von Gennadij Abramov sein.Wie ein Imker durch seinen Bienenschwarm schreitet der sechzigjährige Leiter der "Klasse" gelassen durch das surrende Treiben.Seine Hände nimmt der Graubärtige nur aus der Hostentasche, um den Tänzern zärtlich den Rücken zu streicheln oder aufmunternd auf die Schulter zu klopfen.

Wenn Abramov eine Szene nicht gefällt, dann stellt sich die Truppe im Halbkreis um ihn und berät gemeinsam.In solchen Momenten wirkt die "Klasse" wie eine Gruppe von Verschwörern."Meine Tänzer beeinflussen mich genauso, wie ich sie beeinflusse", sagt Abramov.Die Handlung ist nur ein Skelett, das Fleisch bilden die Improvisationen der Tänzer."Ich achte darauf, daß sie sich selber ausdrücken können." Auch seine neue Choreographie "Staja", die heute abend Premiere feiert, wurde so entwickelt."Einmal habe ich einen Mantel zur Probe mitgebracht und in die Mitte des Raumes geworfen.Meine Tänzer haben damit gespielt.Also habe ich immer mehr Mäntel mitgebracht." Die Mäntel stehen für Gedankenwelten, die Menschen gefangen halten."Meine ganze Arbeit ist darauf ausgerichtet, eine neue Körpersprache zu entwickeln." Eine Ausdrucksweise fern der Tradition des russischen Balletts, in der Abramov aufgewachsen ist.

Nach einem abgebrochenen Medizinstudium wird Abramov 1957 Schüler des "Choreographischen Instituts" in Minsk und tanzt ab 1960 als Solist in den Opern- und Balletthäusern von Cheliabinsk, Kuibyshev und Samarcand.1990 gründet er die "Klasse für expressive Bewegung" - eine Unterabteilung der "Schule für Dramatische Kunst" von Anatolij Vasilev.Seine Schüler holt Abramov von der Straße."Sie sollen einfach Persönlichkeiten sein, den Rest können sie lernen", lautet Abramovs Einstellungskriterium.In den Anfangsjahren spielt die "Klasse" ihre Stücke nicht für Geld und leistet doch nicht weniger als die Neuerfindung des zeitgenössischen Tanzes.Daran hat Rußland einen großen Nachholbedarf."Heute haben wir das Problem, zu den Quellen zurückzugelangen, dorthin, wo wir Anfang des Jahrhunderts schon standen", sagt Abramov."Wir Russen sind aber begabt genug, um unsere zerbrochene Tradition aus eigener Kraft wieder herzustellen."

Staja (Der Schwarm), Sophiensäle 24.bis 28.März, 20 Uhr

ANDREAS KRIEGER

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