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Kultur: Der buckelige Gentleman: Charles Laughton 100

Es hat viele Schauspieler gegeben, die den "Glöckner von Notre Dame" dargestellt haben, aber keinem ist die Qual des Häßlichen so überzeugend gelungen, wie Charles Laughton. Sein Gesicht war eine gräßliche Fratze, die an die Grenzen des für die Zuschauer Erträglichen ging.

Es hat viele Schauspieler gegeben, die den "Glöckner von Notre Dame" dargestellt haben, aber keinem ist die Qual des Häßlichen so überzeugend gelungen, wie Charles Laughton. Sein Gesicht war eine gräßliche Fratze, die an die Grenzen des für die Zuschauer Erträglichen ging. Aber Laughton genügte das nicht. Mit einer ungeheuren Lust an der Selbsterniedrigung wühlte er sich in die seelischen Verletzungen Quasimodos hinein, um auch die eigenen dunklen Seiten freizulegen. Die Kraft seiner Darstellung wurde durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zusätzlich angefeuert. Als Laughton, so erzählt man, die Glocken für Esmeralda läuten sollte, was eigentlich wie eine Liebeserklärung hätte aussehen sollen, warf sich der stämmige, aber nicht besonders zähe Mann mit einer solchen impulsiven Wucht in die Seile und wollte gar nicht wieder aufhören, daß die Szne zum Menetekel wurde. "Ich konnte garnicht an Esmeralda denken", erklärte Laughton. "Ich wollte die Welt aufwecken, um die schreckliche Abschlachterei zu beenden." Charles Laughton, der heute 100 Jahre alt geworden wäre und bereits 1962 an den Folgen einer Krebserkrankung starb, war ein Gemütsmensch. Daß er vor allem mit Rollen Weltruhm erlangte, die das Außergewöhnliche mit einem an Perversion grenzenden Masochismus ausstellten, zeigt die beeindruckende Wandlungsfähigkeit dieses englischen Charakterdarstellers. Er galt nicht gerade als eine ansehnliche Erscheinung, was die Neigung befördert haben mag, sich für ein Rollen-Psychogramm vollkommen umzukrempeln. Mit Heinrich VIII. in "Sechs Frauen und ein König" (1933) oder Kapitän Bligh in "Die Meuterei auf der Bounty" (1935) gelangen ihm dämonische Portraits von Einzelgängern, von denen er behauptete, daß sie ihn selbst psychisch krank machen würden. Als er Bertolt Brechts "Leben des Galilei" am Broadway herausbrachte, notierte dieser in sein Arbeitsbuch: Laughton sei bereit, "sich restlos vor die Hunde zu werfen". So sehr faszinierte ihn die Figur des genialen Wissenschaftlers, der im Angesicht der Folterwerkzeuge der Inquisition zum Verräter seines Lebenswerks wird. Laughton besaß eine natürliche Begabung für Brechts Konzept eines epischen Theaters. Er liebte es, seinen Rollen eine ironische Note zu geben, so wie in Kubricks Monumentalwerk "Spartacus" (1960), in dem er genüßlich den verfetteten römischen Senator Gracchus spielte, oder in Billy Wilders "Zeugin der Anklage" (1957), in dem er sich als Anwalt mit Gespür für die Intrige durch einen aussichtslosen Fall nörgelt. Nur einmal hat sich Laughton als Regisseur versucht. "Die Nacht des Jägers" (1955) mit Robert Mitchum ist eine Studie über die Natur des Bösen. An der Kinokasse floppte der Film, doch die Kritiker haben ihn inzwischen als Meisterwerk heiliggesprochen.

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