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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Kino International in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/AFP

Der Bundespräsident und das Kino: Kein Whisky und kein Wodka

Ein Geistertermin der besonderen Art: Mit Frank-Walter Steinmeier im Kino International - die Presse ist aber nicht zugelassen. Eine Glosse.

Man hat sich ja mittlerweile an ziemlich viel Gespenstisches gewöhnt. An Geisterspiele im leeren Stadion, an geisterhafte Fahrten im öffentlichen Nahverkehr. Aber jetzt ist noch ein neues Event dieser Kategorie erfunden worden, extra für Journalisten: der Geistertermin. Einen ebensolchen gab es im Kino International an der Karl-Marx-Allee zu erleben.

Angekündigt war eine Gesprächsrunde zwischen dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, dem Regisseur Andreas Dresen und Christian Bräuer, Geschäftsführer der Yorck-Kinos und Vorsitzender der AG Kino. Diskussionsstoff genug sollte vorhanden sein. Wohin genau mit den 120 Millionen aus dem Wumms-Paket der Regierung, die der Filmbranche zugutekommen sollen? Die verteilt Steinmeier zwar nicht persönlich, aber als alter Kinofreak hätte er bestimmt ein paar zündende Ideen dazu.

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Die Überraschung am Ort: Das Gespräch findet unter Ausschluss der Presse statt. Die soll im Kinosaal warten, bis im Foyer zu Ende geredet wurde. Der Bundespräsident komme dann noch auf ein kurzes Statement vorbei. Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir wollen uns nicht beklagen. Niemand mag jammernde Presse-Heinis. Nein, diese Art Termin ist toll und sollte Schule machen. Warum nicht zum Beispiel auch Theaterpremieren feiern, bei denen Journalisten und überhaupt alle Zuschauer bei Wein und Käse im Foyer sitzen und sich nach der Vorstellung von Regie und Ensemble erzählen lassen, was für ein starkes Stück sie da hingebrettert haben?

„Kunst ist Lebensmittel“

Das Gute ist: Während man über eine Stunde im leeren Kinosaal sitzt, bleibt genügend Zeit, sich den Talk nebenan in den farbigsten Tönen auszumalen. Vermutlich eröffnet Steinmeier die Runde: „Andreas, ich darf doch Andi sagen, deine Filme sind dufte. ‚Whisky mit Wodka‘, genialer Titel und guter Drink sowieso. Oder ‚Sommer vorm Balkon‘, passt ja prima zum Urlaub dieses Jahr, es sei denn, wir fahren doch alle nach Bayern zum Söder. Nur ‚Wolke 9‘, ich weiß nicht, Andi, so viel welke Haut …“.

„Vielen Dank, Frank-Walter", entgegnet der höfliche Herr Dresen, „ich finde deine Arbeit auch super. Was du immer sagst, über die Familien, und die Lehrer, und die Schüler, und den Mundschutz und so, das trifft’s einfach auf den Punkt oder Kopf“. „Entschuldigung“, wendet der sympathische Herr Bräuer ein, „könnten wir kurz über Geld reden? Wir brauchen ja alle was, die Kinobetreiber, die Produzenten, die Verleiher, von den Solo-Selbstständigen gar nicht zu reden …“

Leider wird man dann vom leibhaftigen Bundespräsidenten aus den Gedanken gerissen. Der tritt vor die Presse und sagt, dass Kino als Gemeinschaftserlebnis durchs Filmegucken auf der Couch nicht zu ersetzen sei. Überhaupt, „Kunst ist Lebensmittel“. Er kündigt noch an, seine Gesprächstournee mit Kulturmenschen fortzusetzen, bald sind Vertreter des freien Theaters dran. Man freut sich jetzt schon darauf, nicht dabei zu sein.

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