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Kultur: Der ewige Gärtner

Kampf gegen Wildwuchs: Klaus von Krosigk bewahrt als Chef der Gartendenkmalpflege Parklandschaften vor dem Verfall

Zum Treffen unter freiem Himmel kommt er mit Regenmantel überm Arm. „Gärtner sind vorsichtige Menschen“, sagt Klaus von Krosigk, Berlins oberster Gartenschützer, mit Blick auf seine tadellose Garderobe. Während der nächsten Stunde scheint meist die Sonne über dem Engelbecken.

Die nach Plänen von Peter Joseph Lenné und Erwin Barth gestaltete Wasserfläche war Jahrzehnte lang unter Trümmern und den Anlagen des Mauerstreifens verschüttet. Als Teil des Luisenstädtischen Kanals wird das Engelbecken derzeit nach allen Regeln der Denkmalpflege wiederhergestellt. Zum Jahresende sollen auch die eisernen Rankgerüste fertiggestellt sein und die Fontänen wieder springen. Ein Großprojekt der Ära von Krosigk, das 1992 begann: In einer „Nacht- und Nebelaktion“ ließ der Gartendenkmalpfleger – so die korrekte Berufsbezeichnung – nach historischem Vorbild 200 Linden entlang der angrenzenden Straßen pflanzen – um vollendete Tatsachen zu schaffen. Denn auch die Verkehrsplaner hatten einen begehrlichen Blick auf die breite Ost-West- Schneise geworfen. So rüde geht es mitunter zu in hiesigen Amtskämpfen.

Bäume sind den Berlinern heilig. Von Krosigk kommentiert: „Als ich 1978 hierherkam, war alles öko.“ Doch kollidieren zuweilen Belange der Gartendenkmalpflege mit denen des Naturschutzes. Etwa, wenn in seit Jahrzehnten vernachlässigten historischen Anlagen der Wildwuchs beseitigt werden soll.

Berlin ist nicht nur die Metropole der Mietskasernen und Plattenbauten, sondern auch eine Hauptstadt der Gärten und Parks. Die Einsicht, dass die historischen Gartenanlagen etwas überaus Kostbares, Schützens- und Pflegenswertes darstellen, verdankt die Stadt auch Klaus von Krosigk. Der diesjährige Tag des offenen Denkmals am 9. und 10. September, der unter dem Motto „Rasen, Rosen und Rabatten – Historische Gärten und Parks“ zu Führungen und Vorträgen einlädt, resümiert in Berlin unausgesprochen Krosigks Lebenswerk. Unter Fachkollegen gilt der stellvertretende Landeskonservator als Koryphäe. Zum 60. Geburtstag schenkten sie ihm vergangenen September ein Kolloquium.

Rund 600 Gartendenkmale stehen auf der Berliner Landesdenkmalliste. Als von Krosigk 1978 als Referatsleiter Gartendenkmalpflege bei der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen seine Karriere begann, gab es kein einziges, das diesen Status besaß. Zu lange hatten die Experten ihre Aufmerksamkeit ausschließlich den drei traditionellen Fachdisziplinen Bau-, Kunst- und Bodendenkmalpflege gewidmet. Gärten, Parks, Friedhöfe überließ man den Grünflächenämtern der Bezirke oder Privateigentümern.

Berlin gab sich 1977 als letztes Bundesland ein eigenes Denkmalschutzgesetz. Doch definierten die Berliner vor allen anderen in ihrem Gesetz ausdrücklich Gartendenkmale. Das machte 1978 die Gründung eines eigenen Referats bei der Denkmalfachbehörde erforderlich. Es war das erste in der Bundesrepublik – in der DDR war man damals schon weiter, was die Vereinigung der Berliner Denkmalpflegebehörden nach 1990 für von Krosigk zu einer spannenden Sache machte.

Gegärtnert hat der Gartenrestaurator schon als Kind. Aufgewachsen ist der 1945 in Halle Geborene zwar nicht in einem Schloss. Über die Krosigkschen Güter im Saalkreis bei Staßfurt, die die alteingesessene Familie mit Kriegsende verlassen musste, hat er als Gartenhistoriker geschrieben. Seine Kindheit verbrachte er in einem westfälischen Bungalow. Der war immerhin von einem großen Grundstück umgeben. „Meinen ersten eigenen Garten habe ich mit sechs angelegt – und ausschließlich Radieschen gezogen.“

Es folgten Gartenbaulehre, Abitur im zweiten Bildungsweg und ein Studium in Hannover bei Professor Dieter Hennebo, dem Nestor der deutschen Gartendenkmalpflege. Hennebo bildete im Alleingang die erste Generation von Gartenhistorikern und Denkmalpflegern aus. Ein illustrer und sehr überschaubarer Kreis. Von Krosigk gehört dazu – und er konnte die Praxis der Gartendenkmalpflege prägen. Eine Praxis, die mit dem Paradox umgehen muss, beständig nachwachsende, wuchernde Gartenkunstwerke als Denkmale zu begreifen. Ein Denkmal im Sinne der Denkmalpflege ist eigentlich etwas, das in einem bestimmten Zustand konserviert und erhalten werden sollte.

Für hundert historische Gartenanlagen in Berlin, so schätzt von Krosigk, hat seine Abteilung Restaurierungskonzepte entwickelt und, gemeinsam mit Gartenbaufirmen und den Bezirksämtern, auch verwirklicht: vom Dauerbrenner Tiergarten – dessen Sanierung 1987 mit 20 Millionen Mark angeschoben wurde und noch immer läuft – bis zu privaten Villengärten in Dahlem und Nikolassee. Zu seinen „Lieblingskindern“ gehören Lennés Pleasureground rund um das Schinkel-Schloss Klein-Glienicke, die Luiseninsel im Tiergarten und der Villengarten um das Berliner Literaturhaus in der Fasanenstraße. „Unsere Visitenkarte“, meint von Krosigk, „dort versuchen wir, einen exzellenten Pflegestandard zu halten“.

Der Umgang mit Gärten ist angewandte Philosophie. Eine persönliche Einübung in Sachen Nachhaltigkeit. Es reicht nicht, einmal ordentlich zuzulangen und dann 20 Jahre lang nichts zu tun. Für etwa 20 größere Gartenanlagen haben von Krosigks Leute Gebrauchsanweisungen entwickelt, die detailliert erklären, was man wann tun oder was besser lassen sollte.

Hauptproblem der Gartenpflege, so von Krosigk, sei die verträgliche Nutzung. Je mehr Besucher einen Garten aufsuchen, desto größer ist die Gefahr ungewollter Beschädigungen. Für die Zukunft des Berliner Grüns stellt sich von Krosigk Modelle wie das Parkmanagement im New Yorker Central Park vor. Dort werden ganze Parkbereiche über Jahre hinweg für die Öffentlichkeit gesperrt, damit die Natur regenerieren kann.

Wachsen und Gedeihen als Motiv einer Lebensplanung. Naturgemäß erblüht sie erst am Ende einer Laufbahn. Wie viele Parkgründer sahen die von ihnen gepflanzten Bäume nie in voller Pracht? In seinen letzten Amtsjahren hat der Gartenguru auch nach Dienstschluss alle Hände voll zu tun. Als Gutachter der Unesco, als Vizepräsident der Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur. Klaus von Krosigk bleibt ein bedächtiger Mensch. Statt eines Gartens bewirtschaftet er nach Feierabend vorerst einen Balkon.

Tag des offenen Denkmals, 9. und 10. September, Programm: Tel. 257967-71/-72 sowie www.denkmal-netzwerk.de

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