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Kultur: Der Fall Schmökel: "Ein Besuch bei der Mutter ist immer ein Risiko"

Ulrich Giese (58) ist Ärztlicher Leiter des Krankenhauses des Maßregelvollzugs auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin.Wie entscheidet ein Gutachter wie Sie, dass ein Straftäter wie Frank Schmökel nicht in einem regulären Gefängnis untergebracht wird, sondern in eine Klinik kommt?

Ulrich Giese (58) ist Ärztlicher Leiter des Krankenhauses des Maßregelvollzugs auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin.

Wie entscheidet ein Gutachter wie Sie, dass ein Straftäter wie Frank Schmökel nicht in einem regulären Gefängnis untergebracht wird, sondern in eine Klinik kommt?

Wenn einem Angeklagten eine schwerwiegende strafbare Handlung vorgeworfen wird, ist die Frage, ob er strafrechtlich voll verantwortbar ist. Dann muss ein Gutachter prüfen: Liegt ein Schwachsinn vor? Liegt eine schwere andere seelische Abartigkeit vor? Liegt eine krankhafte seelische Störung wie eine Psychose oder Schizophrenie vor? Liegt eine vorübergehende tiefgreifende Bewusstseinsstörung vor, die ein Delikt im Affekt ausgelöst hat? Und wenn der Psychiater eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit auf Grund einer der genannten Erkrankungen feststellt, dann muss er sich fragen: Wird der Angeklagte auf Grund der Störungen auch zukünftig gefährlich sein? Wenn ja, dann muss der Angeklagte in einem psychiatrischen Krankenhaus im Maßregelvollzug untergebracht werden.

Mit welcher Sicherheit lässt sich die zukünftige Gefährlichkeit von Tätern vorhersagen?

Risiken und Fehler sind nie ganz auszuschließen, weil man menschliches Verhalten - insbesondere bei psychisch Kranken - nie mit hundertprozentiger Sicherheit voraussagen kann. Auch ist man immer angewiesen auf die Mitarbeit des Täters, denn diese Untersuchungen sind freiwillig.

Wie können Sie als Gutachter ausschließen, das ein Täter Sie hinters Licht führt und sich als krank darstellt, ohne es wirklich zu sein?

Das ist schwierig. In der Regel sind Sexualstraftäter intelligent. Sie haben ein angepasstes Verhalten und wissen sehr genau, wie sie bestimmte Ansprüche ihrer Umwelt befriedigen. Nur haben sie im Bereich der Sexualität bestimmte andere Bedürfnisse. Wenn man diese in der psychiatrischen Untersuchung genau ermitteln kann, dann kann man mit einem hohen Sicherheitsgrad eine entsprechende Prognose stellen. Aber natürlich werden wir auch getäuscht und übersehen gewisse Dinge.

Wenn ein Täter wie Frank Schmökel seine Mutter besuchen möchte - wie wird dann entschieden, ob und unter welchen Bedingungen man ihm das erlaubt?

Man guckt sich an, wie er sich bisher im Maßregelvollzug in der Klinik verhalten hat. Hat er regelmäßig an der Therapie teilgenommen? Hat er Fortschritte gemacht? Hat er bereitwillig ein Hormonpräparat genommen, um seinen Triebdruck zu dämpfen? Und wenn alle Kriterien positiv bewertet werden, dann kann man sagen, man erlaubt ihm schrittweise immer größere Freiheiten.

Wie bewerten Sie die Entscheidung Ihrer Brandenburger Kollegen, Schmökel den Besuch bei seiner Mutter zu gestatten, den er zur Flucht nutzte?

Wenn man einen Sexualstraftäter zu seiner Mutter lässt, dann muss man sich vorher genau fragen: Was spielt sich zwischen Mutter und Sohn ab? Häufig gibt es pathologische Bindungen an die Mutter, die besonders eng oder besonders aggressiv sind. Ein solcher Besuch ist immer ein Risiko, weil da sehr leicht Gefühle zum Tragen kommen können. Das ist im Fall Schmökel nicht ausreichend bedacht worden. Außerdem muss man sagen, dass das Maßregelvollzugsgesetz in Brandenburg sehr liberal ist. Die Sicherheit steht nur in der zweiten Reihe.

Halten Sie es therapeutisch für sinnvoll, dass jemand wie Schmökel aus der Klinik heraus seinem Opfer Briefe schreiben und über Anzeigen weitere Frauen kennen lernen darf?

Die Durchführung des Maßregelvollzugs regeln die entsprechenden Gesetze der Länder. Dort steht drin, dass Herr Schmökel Briefe schreiben darf und auch auf Kontaktanzeigen reagieren darf. Das dient ja der Resozialisierung, dass solche normalen Dinge eben nicht verboten werden.

Mit welchem Ziel werden Sexualstraftäter wie Frank Schmökel therapiert?

Ein psychisch kranker Sexualdelinquent muss als Erstes erkennen, was an seinem Sexualverhalten nicht gesund ist. Dann muss er in der Therapie erfahren, dass er mit seinen Handlungen Menschen schweren körperlichen und seelischen Schaden zufügt. Er muss lernen, Verantwortung für seine strafbaren Handlungen zu übernehmen.

Und wie lässt sich ausschließen, dass ein Täter seinen Sinneswandel verbal behauptet, in Wirklichkeit aber unheilbar ist?

Das lässt sich nie ganz ausschließen.

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