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Kultur: Der Film ist eine Art Fortsetzung von "Sue", nur vitaler

Manhattan ist nicht gut zu ihr. Trotzdem ist sie eine Großstadtpflanze.

Von Susanna Nieder

Manhattan ist nicht gut zu ihr. Trotzdem ist sie eine Großstadtpflanze. Weggehen? Eher stirbt sie. Das hört sich an wie "Sue", der Film, mit dem der israelische Regisseur Amos Kollek und seine Hauptdarstellerin Anna Thomson (erstmals im Panorama der Berlinale 1998) einen Überraschungserfolg feierten. Es ist aber "Fiona" gemeint, ebenfalls von Amos und Thomson, der im Panorama 1999 seine Deutschlandpremiere hatte. Die Filme sind sozusagen Schwestern - ähnlich und doch unterschiedlich. Man kommt nicht umhin, sie zu vergleichen.

"Sue" ist das leise, eindringliche Porträt einer Frau, die eines Tages feststellt, dass ihr das Leben unbemerkt durch die Finger geronnen ist. Ihre Einsamkeit ist endgültig; Alle Versuche, wieder in den Lebensstrom einzusteigen, scheitern. In "Sue" ist es Kollek gelungen, den Zuschauer extrem nah an ein fremdes Schicksal zu führen. Wenn die junge Frau schließlich mitten im Gewühl von Manhattan einfach zu atmen aufhört, ist das fast so niederschmetternd wie der Tod eines realen Menschen.

Fiona ist vitaler als Sue, die in ihrer fatalen Verletztheit wie eine zerdrückte Orchidee wirkte. Fiona hat dagegen die Zähigkeit einer Schlingpflanze. Als Baby wird sie von ihrer drogenabhängigen Mutter ausgesetzt, von Pflegeeltern missbraucht und landet schließlich selbst auf dem Strich. "Meiner Ansicht nach stimmt etwas mit der Welt nicht. Nicht ich muss mich anpassen, sondern die Welt", erklärt sie. Sie ist genauso in der Lage, eine Knarre aus der Handtasche zu ziehen, wenn sich im Restaurant ein Kerl auf ihren Platz setzt, wie sie einer Freundin 1000 Dollar zusteckt. Zärtlichkeit findet in flüchtigen Beziehungen mit Frauen statt: "Männer sind in meiner Welt Geschöpfe zweiten Ranges."

"Fiona" hätte das Zeug zu einer ebenso dichten, wenn auch sehr ähnlichen Charakterstudie gehabt wie "Sue". Aber es hat dem Film nicht gutgetan, dass Kollek während der Recherche auf ein Crack House im East Village stieß, dessen Bewohner ihn so faszinierten, dass er Dokumentarmaterial in den Spielfilm einfließen ließ. Die Laiendarstellerin Felicia Maguire als Fionas Mutter fügt sich noch nahtlos ein, doch die Szenen, in denen Junkies in Zeitlupe ihrem trostlosen Alltag nachgehen, wirken auf die Dauer wahllos. Das Eindringen der Realität nimmt der Fiktion die Spannung; die leicht absurde Wendung, als Fiona einen väterlichen Freund findet, erregt nicht annähernd die gleich Aufmerksamkeit wie das Schicksal von Sue. Bei "Sue" erwischte einen das nackte, bloße Elend. "Fiona" löst milde Ratlosigkeit aus.Filmbühne am Steinplatz, Filmtheater Friedrichshain, New Yorck (alle OmU); Hackesche Höfe

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