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Ein Berliner Wahrzeichen: Die Philharmonie

© Kitty Kleist-Heinrich

Der französische Pianist David Fray beim DSO: Schweigeminute in der Philharmonie

Nach den Anschlägen in Paris: Ein bewegendes Klassik-Konzert in Berlin

Natürlich ist das Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters überschatten von der Ereignissen in Paris. Orchesterdirektor Alexander Steinbeis bittet zu Beginn das Publikum um eine Schweigeminute, der französische Pianist David Fray wird seine Zugabe den Opfern der Anschläge widmen. Dass die Philharmonie aber trotz eines absolut nicht marktgängigen Programms und eines kaum bekannten Dirigenten bis auf den allerletzten Podiumsplatz ausverkauft ist, zeigt gleichzeitig, dass die Menschen gerade in Momenten seelischer Aufgewühltheit das Bedürfnis haben, sich zu versammeln, gemeinschaftlich Kultur zu erleben. Sie werden nicht enttäuscht.
Das DSO spielt in absoluter Bestform, inspiriert von Marcelo Lehninger, einem 35-jährigen Deutsch-Brasilianer, der großartig musikalische Spannung aufbauen - und dann auch halten! - kann. Lehninger ist ein gestenreicher Viel-Zeiger, aber kein Poser. Sein von Zuck- und Stoßbewegungen durchsetzter Pulttanz wirkt nicht gerade geschmeidig, aber er ist effektiv: Weil dies eben seine natürlich Art ist, innere Anteilnahme auszudrücken, Energie freizusetzen.

Drei Werke aus der glücklichsten Phase des 20. Jahrhunderts stehen auf dem Programm, entstanden in den Zwanzigerjahren, als die Künstler sich unendlich frei und wagemutig fühlten, nachdem der Erste Weltkrieg mit den alten Machtverhältnissen auch alle akademischen Regeln und ästhetischen Gewissheiten hinweggefegt hatte. Frecher, moderner als in seinem G-Dur-Klavierkonzert hat Maurice Ravel nie komponiert. David Fray vermag diesen Esprit perfekt umzusetzen. Selbstbewusst und offensiv greift er in die Tasten, sein Spiel spricht den Hörer unmittelbar an, weltmännisch-elegant in den jazzigen Passagen, konzentriert im langen Monolog des Mittelsatzes. Wenn er dabei nur auf diese buckelige Affe-auf-dem-Schleifstein-Haltung verzichten könnte!

Restlos beeindruckt Dmitri Schostakowitschs 1. Sinfonie: Was der 18-Jährige 1925 als Abschlussarbeit am Leningrader Konservatorium abgegeben hat, ist ein frühreifer Geniestreich, glasklar in der Instrumentation, brillant durchdacht im Aufbau, raffiniert in der Kontrastdramaturgie. Marcelo Lehninger und den Musikern gelingt eine mitreißende Interpretation, die alle Wesenszüge des jungen Komponisten ausleuchtet, von der herben Expressivität bis zum grotesken Humor.

Mit südlichem Licht fluten Ottorino Respighis "Pini di Roma" den Saal. Gedanklich ist der Tondichtungszyklus eher schlicht gestrickt, der mit dickpinseliger Klangflächenmalerei vor allem auf den Überwältigungseffekt spekuliert. Lehninger weiß das, hat aber hörbar Spaß daran, mit dem DSO alle Helligkeitsstufen durch zu deklinieren, vom samtigen Mondlicht auf dem Gianicolo-Hügel bis an den Anschlag, ins Gleißend-Grelle, bei der imaginären Legionärsprozession auf der Via Appia.

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