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Kultur: Der gekrümmte Raum

Schweißarbeit: das neue Album der Elektroband Mouse On Mars

Sie wippen, hüpfen beinahe. Zwei junge Männer, nebeneinander, über Regler und Tasten gebeugt. Nick, nick, nick, der Kopf fällt nach vorne, immer wieder, als fortgesetzte stumme Bejahung. Wumm, wumm, wumm, macht der Beat und da kann der Kopf nun mal nicht anders als zustimmend zu nicken. Aber denken muss er auch, wenn Jan St. Werner und Andi Toma Musik machen. Das Duo, das sich Mouse On Mars nennt und gerne mit dem Etikett Intelligent Techno versehen wird, dreht an Knöpfen oder tippt Befehle in ein Laptop, während es die Hitze dessen zu beherrschen versucht, was sie dem Kabel-Cumputer- Maschinengewirr entlocken.

Mit Techno hat das nur wenig gemein. Der Beat, der in Discos zum Motor des kollektiven Hochgefühls wird, hier im Berliner Magnet, wo Mouse On Mars ihre neue CD „Radical Connector“ vorstellen, kommen nur noch Bruchstücke an, hier zerfällt dieses Du-musst- jetzt-tanzen-Biest und es platzen Melodien, Sprachfetzen und zerfaserte Nachklänge von etwas auf, das man irgendwo schon einmal gehört zu haben meint, so sehr fühlt man sich ihnen verbunden. „Scratching Butterflies With Hands“, hieß einmal ein Song der beiden Elektro-Freaks. Und genauso brutal-romantisch hört sich das auch an, wenn die beiden auf der Bühne – um einen Schlagzeuger erweitert – ihre Beatzertrümmerungen vornehmen.

„Radical Connector“ ist das sechste Album des Gespanns aus Düsseldorf und Köln, das schon 1997 behauptete, es finde immer schwerer zusammen. Da war gerade ihr zweites erschienen. Doch mit der Professionalisierung ging die Fehlerquote zurück, verschwand das sie selbst überraschende Moment. Ihre Platten strotzten vor guten Einfällen und Songs reihten sich mitunter als betörende Erinnerungsrätsel aneinander – herausragend: „Niun Niggung“ (1999).

Was ist passiert? Nun, da die elektronische Musik aus Kinderzimmern kleine DJ-Werkstätten gemacht hat und sich jeder Jugendliche seine eigenen Tracks zusammenfummelt, hat sich der wahnwitzigen und im Wahnsinn manchmal sterbensschönen Soundgebilde von Mouse On Mars eine ernüchternde Schwerfälligkeit bemächtigt. „Radical Connector“ ist ein behäbiges Werk. Wuchtig auch. Und zuweilen sogar vom Glauben an das Liebliche nicht ganz verlassen („Send Me Shivers“). Aber insgesamt zu klobig, um neue Horizonte zu öffnen. Überzeugend an Werner/Tomas Experimenten war ja, dass sie sich nicht in der intelligenten Reduktion, dem selbstreferenziellen Lärmgetue, erschöpften, sondern auf eine erstaunlich lyrische und enorm konventionelle Sprache vertrauten. Sie gaben die Schönheit, das Sentimentale, nicht auf. Aber wenn auch diesmal wieder zahlreiche Gastsänger und -sängerinnen das Popversprechen bekräftigen, dass es eine Seele jenseits aller Maschinen gibt, so wirkt das bemüht – wie stranguliert von eben diesen Maschinen. Und Sätze wie „Live by an die by the use of your voice/ Voice of distinction / The power of joy“, geben einem auch nicht viel Hoffnung.

Im Magnet, einem stickigen, kleinen Schlauch mit niedriger Decke und noch niedrigerer Bühne, stellt das rheinische Künstler-Duo die neuen Songs als Schweißarbeit vor. Der Bass dröhnt und bollert, die Drums zischeln und die Keyboards wölben sich in den gekrümmten Soundraum... Dass Denken mit Arbeit zu tun hat, wussten wir schon.

Mouse On Mars, „Radical Connector“ (Sonig)

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