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Kultur: Der Gott des Fußballs

Eine Sportandacht/ Von Tim Parks

Das ist das Ziel allen Entzückens: sich überallhin auszubreiten. Ad infinitum. Das ist es, was Entzücken bedeutet. Es ist ein Rhythmus, der schlägt und immer weiter schlägt und unseren Geist damit erfüllt.

Bei Religionen ist das so. Die Azteken hatten einen Gott für jeden Tag des Jahres, die Christen einen Heiligen. Es gab immer was zu feiern. Man war nie außerhalb dieses Zaubers. Und für die echten Fans (vom Lateinischen fanticus, ein Andächtiger im Tempel) gibt es jetzt an jedem Tag der Woche mindestens ein Fußballspiel.

Aber Fußball ist keine Religion. Nicht ganz. Manchmal – erstaunlicherweise – hört er einfach auf. An Weihnachten. Im Sommer. Vielleicht weil die Sportler sich ausruhen müssen. Vielleicht weil wir nicht zu viel vom Sport verlangen wollen. Wir wissen, dass wir uns ab und zu außerhalb stellen und sagen müssen: Es ist nur ein Spiel. Genau genommen ist das das Moderne am Fußball. Er ist wie eine Religion, aber wir stehen außerhalb und lachen – ab und zu.

Die Sache ist nur, dass wir natürlich alle vier Jahre die Weltmeisterschaft bekommen, und wieder eine dürre und leere Fläche mit Farbe und Pomp erblüht. Dann ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass es nur ein Spiel ist. Aber so selten wie möglich, bitte.

Aus dem Englischen von Susanne Kippenberger. Der Schriftsteller Tim Parks, 1954 in Manchester geboren, lehrt Übersetzen in Mailand. Im Münchner Verlag Antje Kunstmann veröffentlichte er zuletzt den Roman „Weißes Wasser“.

Am heutigen Freitag liest er beim Literaturfestival Berlin zum Thema „Football and literature“ im British Council (Hackescher Markt 1, 20 Uhr).

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