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Kultur: Der große Fettnapf

Die Regel ist nicht besonders schwer. Sie legt nahe, bestimmte Begriffe nicht mehr zu benutzen.

Die Regel ist nicht besonders schwer. Sie legt nahe, bestimmte Begriffe nicht mehr zu benutzen. „Blutgeld“ gehört dazu, „Tätervolk“, „Sippenhaft“, Vergleiche mit Hitler, Göring, Goebbels und natürlich auch der Kampfbegriff „entartete Kunst“. Das Berliner Kabarettistenduo Pigor & Eichhorn hat einen ganzen Song zum Thema „historische Vergleiche mit dem Dritten Reich“ geschrieben: „Das ist immer eine Gaudi, wenn sich wieder einer vergaloppiert/Wie er dann strampelt und hampelt und vergeblich relativiert (...) Es passt aber immer so gut, und es juckt ihnen in den Fingern/Am geschmacklichen Abgrund entlangzuschlingern.“

Wenn Peter-Klaus Schuster, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, auf einer Pressekonferenz zu der seit Monaten umstrittenen Ausstellung der Flick-Collection in Berlin Werke dieser Sammlung in einem Nebensatz tatsächlich als irgendwie mit „entarteter Kunst“ vergleichbar bezeichnet hat, ist das – jedenfalls angesichts der Vorgeschichte – einfach nur dumm. Und die Strafe folgt sofort: Rücktrittsforderungen. Hysterische Debatten. Mediales Gebrüll.

Dabei genügt es eigentlich, noch einmal Victor Klemperers luzide Studie „LTI“ (Lingua Tertii Imperii) zu lesen, in der der von den Nationalsozialisten verfolgte Philologe die Sprachverwahrlosung im „Dritten Reich“ dokumentierte. Dazu empfiehlt sich als Lektüre deren aktuelles Pendant: Ivan Nagels „Falschwörterbuch“ über die von der US-Politik lancierten Euphemismen rund um den Irakkrieg. Man kann viel falsch machen. Man muss aber nicht.

Christina Tilmann

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