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"Der große Kater": Tick, tick

Im Kino: Wolfgang Panzers "Der große Kater“.

Ein alter Mann (Bruno Ganz) repariert alte Uhren. Das ist seine Art, mit Chronos, der verrinnenden Zeit, umzugehen. Er liebt diese Uhren. Vielleicht auch, weil sie im Grunde nichts von der Zeit wissen: Sie verrichten ihr mühsames Tagwerk, aber den Kairos – den erfüllten Augenblick, ewigkeitsweit – kennen sie nicht. Der Schweizer Bundespräsident mit seinen schönen alten Uhren sieht nicht so aus, als hätte er kürzlich einen Kairos erlebt. Im Gegenteil, seine Popularität sinkt stetig. Er muss etwas unternehmen. Der Philosoph in ihm weiß, dass man einen Kairos nicht machen kann. Der Politiker versucht es trotzdem.

Dieser Film von Wolfgang Panzer ist Chronos, nicht Kairos. Zäh rinnen die Minuten. Ja, es ist, als klafften zwischen ihnen böse Lücken. Auch Peinlichkeit streckt die Zeit. So bangt nicht die Spannung, sondern die Sorge. In welche Geschichte hat sich Bruno Ganz hier bloß verirrt? Er kann ihr nicht aufhelfen, er ist ihr ausgeliefert wie sein Bundespräsident den Umfragewerten.

Das Unglück begann wohl damit, dass der Produzent Dietmar Güntsche sich in einen Roman verliebt hat. In „Der große Kater“ von Thomas Hürlimann. Der Schweizer ist in der Tat ein großer Erzähler. Und warum sollte er nicht über einen Bundespräsidenten schreiben, der das spanische Königspaar erwartet? Immerhin war sein Vater Bundesrat und bekam in seinem Präsidialjahr Besuch vom spanischen Königspaar. Hürlimann weiß, dass das nicht der Stoff ist, aus dem Politthriller sind. Dietmar Güntsche und Wolfgang Panzer wissen es nicht. Sie knüpfen aus den vielen Fäden des Romans einen roten, und der stranguliert alles in Hochglanzoptik, Thrillerästhetik, Staatsbesuchsambiente samt der die Emotion gängelnden „Achtung: Bedeutung!“-Musik.

Für den modernen Kairos, für den die Massenseele erfüllenden Augenblick, sind heute die Medien zuständig. Immerhin hat der Bundespräsident, genannt der große Kater, eine junge, telegene Frau (Marie Bäumer), leider aber auch einen todkranken Sohn. Dem Kind ist hier der Aspekt der Zeit anvertraut, vor dem wir alle uns am meisten fürchten: der finale. Soll er aus dem Fernsehen erfahren, wie krank er ist, nur weil sein Vater den großen Auftritt braucht? Schwer zu sagen, worin die im Film kritisierte Fernseh-Trivialästhetik sich von der des Filmes selber unterscheidet. Kerstin Decker

Cinemaxx Potsdamer Platz, Kulturbrauerei, Filmkunst 66

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