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Selbst die spanische Königin Letizia macht in der Hieronymus Bosch Ausstellung in Madrid große Augen.

© dpa

Der Hieronymus Bosch-Hype: Sünde ist ein gutes Geschäft

Mit dem 500. Todestag hat dieses Jahr ein Hype um den Maler Hieronymus Bosch begonnen. Über die Faszination des unnachgiebigen Porträtisten der menschlichen Sünde.

Die Menschenknäuel, die sich vor den Bildern des Hieronymus Bosch bei der derzeitigen Retrospektive im Madrider Prado drängen, werden auch in den Abendstunden der täglich bis 22 Uhr geöffneten Ausstellung nicht kleiner. Wohl nie wieder, ganz sicher nicht in unserer Generation, wird man die Dreitafelbilder aus Brügge, Madrid und Lissabon, die Einzelwerke aus Berlin, Washington und Venedig nochmals zusammen sehen können. Abgesehen von ihrem (erwartbaren) Publikumserfolg, bieten Ausstellungen wie diejenige in Madrid (für Kurzentschlossene: noch bis 11. September) die Möglichkeit, in einer großen Gemeinschaftsleistung mehrerer Museen und ihrer Kuratoren und Restauratoren Licht ins Dunkel zu bringen.

Im Falle Boschs meint das zum einen die Autorschaft – was stammt von eigener Hand, was aus seiner Werkstatt? –, zum anderen die überreiche Ikonografie seiner Fabelwelten. Was bedeuten die Bilder? Der voluminöse, bis ins kleinste Detail sorgfältige Ausstellungskatalog (auch in Englisch, 35 €) führt eindringlich vor Augen, wie fern uns Boschs Vorstellungswelt der Zeit um 1500 ist, die in Boschs burgundisch-flandrischen Stammlanden von Endzeitfurcht geprägt ist, aber auch von den Moralvorstellungen eines erstarkenden, städtischen Bürgertums.

Sünde und nochmals Sünde, das ist Boschs Generalthema; die Verderbtheit der Welt schon vom Anbeginn des Paradieses an, der der Mensch nicht entgeht, er sei denn ein Heiliger wie der von Bosch vorzugsweise dargestellte Antonius in der Wüste, der allen Versuchungen widersteht. Was wären uns heute noch Versuchungen? Und das Böse? Wir lokalisieren es überall, doch gewiss nicht in uns und unserem täglich’ Tun und Treiben. Eben das aber ist Boschs Grundgedanke, mit dem er nicht nur im heimischen Umfeld, sondern zumal bei dem Religionsfanatiker Philipp II., dem König von Spanien und seinem Weltreich, Anhänger und Käufer fand.

Die Schere zwischen der wissenschaftlichen Durchdringung des Ruvres von Hieronymus Bosch und der verbreiteten Begeisterung für seine, jeden Surrealismus an Einfallsreichtum weit übertreffenden Bildmotive klafft immer weiter auseinander. Dass Bosch einmal sogar einen Heuwagen auf die Mitteltafel eines – heute so betitelten – Triptychons stellt, das allein der Darstellung der Sünde gewidmet ist, wird in seiner Ungeheuerlichkeit gar nicht mehr begriffen. Dass der armselige Hausierer, der die Außenseiten ziert, eine Allegorie des Lebensweges darstellt, der erbärmlichen Lebensbahn des Menschen, liegt außerhalb unserer Vorstellungskraft.

Der Hype um Bosch wird mit dem Festjahr 2016 – sein 500. Todestag gab den Anlass – vergehen, aber seine Schreckbilder werden manchen, der Veranstaltungen wie jene im Prado besichtigt hat, bis in die Träume verfolgen. So, wie Bosch sie seinen eigenen Phobien entnommen hat.

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