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Verurteilt wegen eines Films. Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof, 48.

© S. Nogier/dpa

Der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof: Teherans Willkür und der Goldene Bär

Proteste und letzte Hoffnung: Der iranische Filmemacher und Berlinale-Gewinner Mohammad Rasoulof soll diesen Samstag in Teheran seine Haftstrafe antreten.

Es ist ein in der Filmwelt einmaliger, ungeheuerlicher Vorgang: Der iranische Filmemacher Mohammad Rasoulof, der im Februar auf der Berlinale den Goldenen Bären gewann, soll an diesem Samstag seine einjährige Haftstrafe in Teheran antreten. Rechtskräftig verurteilt wurde Rasoulof bereits im September 2019, die Behörden warfen ihm unter anderem Propaganda gegen das System vor.

Ein Bären-Gewinner im Gefängnis? Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), zeigte sich alarmiert über die Nachricht, dass Rasoulofs Inhaftierung unmittelbar bevorstehen könnte. „Er wurde verurteilt, weil er einen Film über Ungerechtigkeit und Korruption gedreht hat. Seine Verurteilung ist ein weiterer Schlag gegen die Presse- und Meinungsfreiheit in Iran“, sagte Kofler.

Das Urteil wurde unter anderem mit Verweis auf seinen Film „A Man of Integrity“ (2017) begründet. Der Film über einen Fischer, der sich gegen korrupte Kartelle wehrt, wurde in Cannes preisgekrönt. Bei der Rückkehr in seine Heimat war Rasoulof der Pass abgenommen worden. Sein jüngstes, auf der Berlinale ausgezeichnetes Werk „There is no Evil“ erzählt in vier Episoden von iranischen Soldaten, die die Todesstrafe vollstrecken sollen, den Dienst aber überwiegend verweigern. Den Goldenen Bären hatte seine Tochter Ranan Rasoulof entgegengenommen, da ihr Vater nicht reisen konnte. Sie spielt in der letzten Episode des Films selbst mit.

Kofler betonte, der Iran habe sich mit der Ratifizierung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verpflichtet, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu achten und zu schützen. Sie appelliert an die iranischen Justizbehörden, das Urteil aufzuheben „und ihm die Möglichkeit zu geben, frei und ungehindert sein künstlerisches Werk fortzusetzen“.

Gleich nach der Berlinale wurde ihm mitgeteilt, er müsse bald ins Gefängnis

Bislang musste der 48-Jährige seine Haftstrafe nicht antreten. Unmittelbar nach der Berlinale wurde ihm allerdings angekündigt, er solle nun ins Gefängnis. Allerdings noch ohne genaue Terminangabe. Vergangenes Wochenende wurde er dann telefonisch aufgefordert, er möge sich am Dienstag einfinden – nicht im berüchtigten Evin-Gefängnis, sondern in einer anderen Haftanstalt. Da Rasoulof sich zu dem Zeitpunkt jedoch nicht in Teheran aufhielt, sondern etwa tausend Kilometer weiter südlich im Land, wurde ihm als Ersatztermin der Samstag vorgeschlagen. In Irans Gefängnissen grassiert das Coronavirus, 54.000 Häftlinge wurden deshalb vorübergehend auf freien Fuß gesetzt.

Dienstag nicht? Dann eben Samstag: Das Detail verrät viel über ein von Willkür und Unberechenbarkeit geprägtes Justizsystem, mit dem nicht zuletzt auch Künstler und Regimekritiker in Schach gehalten werden. So war Rasoulof 2010 erstmals zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, gemeinsam mit seinem Kollegen Jafar Panahi, der für „Taxi Teheran“ 2015 den Goldenen Bären gewann. Beide mussten ihre Strafen nicht antreten, beide konnten nicht reisen, Panahi wurde zudem mit Berufsverbot belegt. Und beide arbeiteten weiter, unter erschwerten Bedingungen.

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Im Berlinale-Skype-Interview mit dem Tagesspiegel hatte Rasoulof betont, das gesamte Team von „There is no Evil“ sei sich der Risiken bewusst gewesen, als sie den Film realisierten. Aber man habe eine starke Botschaft senden wollen. Und: „Alle an dem Projekt Beteiligten hatten schon vorher für sich entschieden, die Verhältnisse nicht länger zu akzeptieren und Nein zu sagen, so wie es die Figuren in ,There is no Evil‘ tun. Sie sagen Nein zu einem Befehl, zu etwas, was sie moralisch nicht vertreten können. Auch unser Film ist ein Statement gegen die Zensur.“

Ob sich hinter Mohammad Rasoulof jetzt die Gefängnistore schließen? Noch hegen Freunde, Kollegen und Unterstützter wie der Hamburger Filmfest-Chef Albert Wiederspiel die Hoffnung, dass der Filmemacher an diesem Samstag vorerst wieder nach Hause darf. Vielleicht geht es ja „nur“ darum, noch ein Exempel zu statuieren und kritische Künstler weiter in Schach zu halten.

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