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Der Kampf um das neue Berlin: Zurück zum Wasser

Die Spree hat nur zwei Ufer: Ein Investor will am Osthafen neue Hochhäuser bauen. Es gibt Proteste von Anwohnern. Doch diesmal soll der große Krach vermieden werden.

Gibt es in Berlin beliebtere Wohnlagen als jene am Wasser? Angesichts des Flanierbetriebs an den Uferwegen, trendiger Strandbars, Tangoterrassen und Badeschiffen ist es kaum mehr vorstellbar, dass die Stadt früher der Spree den Rücken zuwandte, sie nur als Verkehrsweg und Kloake, Industriestandort und Hafenareal zu nutzen wusste. Nun, da Industrie und Schiffe die Ufer nicht mehr besetzen, sind die Stadtplaner gefragt, ufernahe Wohngebiete und Bürostandorte zu entwickeln. „Wasserstadt“ hießen die Entwicklungsprojekte in Spandau, Stralau und Spindlersfeld, bei denen neuer Wohnraum geschaffen werden sollte. „Mediaspree“ nennt sich das aktuelle, umstrittene Vorhaben im Bereich des Osthafens zwischen Jannowitzbrücke und Elsenbrücke, wo sich Medienunternehmen und Modelabels ansiedeln sollen.

Dabei werden der Flächennutzungsplan von 2002 und die nachfolgenden Bebauungspläne nur langsam umgesetzt. Auch weil es seit 2008 Widerstand gibt. In einem Bürgerentscheid sprachen sich 87 Prozent der 35.000 Unterzeichner gegen die Mediaspree-Pläne aus. Unter dem Motto „Spreeufer für alle“ werden eine 50 Meter breite öffentliche Uferzone und der Verzicht auf Hochhäuser gefordert. „Mediaspree versenken!“ kämpft mit unterschiedlichen Strategien gegen die Kommerzialisierung des Gebiets, wenngleich es eine Verdrängung angestammter Wohnbevölkerung dort nicht gibt, denn die ehemaligen Hafen- und Industriegebiete wurden seit der Wende allenfalls temporär genutzt.

Bilder: So entwickelt sich das Projekt Mediaspree

Gegenwärtig kritisiert die Initiative das Bauvorhaben des Projektentwicklers Agromex, der am südlichen Spreeufer 200 Wohnungen und ein Hotel bauen möchte. Eine Anwohnerinitiative von Mietern in der Fanny-Zobel-Straße wehrt sich gegen die geplante Bebauung, befürchtet steigende Mieten und eine Hinterhofatmosphäre statt freien Spreeblicks. Zudem wird die fehlende Einbeziehung in die Planungen bemängelt, man sei nicht gehört worden. Zur Jurysitzung gab es ein „Go in“ in den Büros des Investors. Die Initiative verbreitete ein Schaubild, das zwischen den Treptowers und den Twintowers eine Wand aus drei schematischen und massiven Hochhäusern zeigt, die das Ufer verstellen. In der Tat ein Schreckbild. Mit dem am Mittwochabend im Stadtentwicklungsausschuss des Bezirks vorgestellten Entwurf hat es allerdings nur gemeinsam, dass wirklich drei Hochhäuser geplant sind.

Den Wettbewerb hatte der Berliner Architekt Justus Pysall gewonnen, der sich gegen namhafte Konkurrenz wie Teherani, Sauerbruch Hutton, Henning Larsen, 3XN und Ingenhoven durchsetzte. Er war vor allem deswegen erfolgreich, weil er auf den im Plebiszit manifestierten Bürgerwillen einging und erhebliche Änderungen verfügte. Der gültige Bebauungsplan sah am Ufer drei über einen Querriegel verbundene Hochhäuser sowie die Überbauung des Karrees zwischen den bestehenden Wohnungsbauten vor. Nach dem neuen Entwurf sollen hingegen nur noch 17 Prozent der Fläche bebaut werden und auf dem Karree in der zweiten Reihe kein weiterer Wohnblock entstehen, sondern ein ansteigender Bürgerpark mit Kinderspielplatz, unter dem ein abgesenkter Supermarkt Platz findet. Insgesamt ein durchlässiges Areal mit Blickbeziehungen und hohem Grünanteil.

Die beiden Hochhäuser von 99 beziehungsweise 110 Metern Höhe mit 195 Eigentumswohnungen sowie das 63 Meter hohe Hotel machen sich schlank, um den Durchblick zum Wasser für die Hausbewohner im Hintergrund möglichst wenig zu verstellen. Ihr Schattenwurf fällt auf die Spree. Die drei Türme treten um vier Meter zurück, so dass für den öffentlichen Uferweg 10 Meter zur Verfügung stehen. Anders als noch die benachbarten Treptowers mit ihren hermetischen Erdgeschossen verschließen sich die Türme nicht ihrer Umgebung. Das Hotel öffnet sich mit Gastronomie im Erdgeschoss und einem Aussichtsrestaurant im Dachgeschoss.

Ein Hotel ist kein Bürohaus und ein Wohnturm ist kein Hotel. Architekt Pysall hat versucht, durch eine entsprechende Baugestaltung die Typologie der Gebäude erkennbar zu machen. Das Hotel bekommt eine patchworkartige Fassade aus opaken und transparenten Gläsern, die die Monotonie vieler Hotelfassaden vermeidet. Die differenzierte Fassade der Wohnhäuser verdeutlicht, dass hier keine Wohnungen gestapelt werden. Balkone, Wintergärten und Wohnraumerweiterungen treten unregelmäßig heraus und erzeugen ein vielfältiges Schattenbild. Alle Wohnungen haben Fenster in mindestens zwei Himmelsrichtungen.

Mit den unterschiedlich geschnittenen Zwei- bis Fünfraumwohnungen richtet sich das Angebot an Eigennutzer. Tageslicht begleitet die Bewohner in der großzügigen Lobby, in den außen liegenden Aufzügen und in den Fluren bis zur Wohnungstür. Natürlich belichtete und belüftete Erschließungswege und Nebenräume entsprechen hohen Sicherheitsstandards.

Die Radler fahren über eine gewendelte Rampe in den Tiefhof zwischen den Türmen und gelangen in die Fahrradgarage, die ebenso Tageslicht erhält wie der große Kinderwagenabstellraum und selbst der Müllraum. Mit immerhin 310 Fahrradabstellplätzen trägt man dem Trend Rechnung. Das gesamte Bauvorhaben entspricht ohnehin ökologisch hohen Standards, von der Auswahl der Materialien nach ökologischen Kriterien über Regenwassernutzung bis hin zum Energiemanagement mit effektiver Wärmedämmung, Nutzung von Geothermie und Versorgung durch ein Blockheizkraftwerk.

Der Investor ist damit nicht den Weg des Vollzugs eines gültigen Bebauungsplans gegangen, sondern hat gemeinsam mit dem Bezirk nach einer Lösung gesucht, die auch den Interessen der Bürger entgegenkommt. Die Bebauung grundsätzlich verhindern zu wollen, war unrealistisch und stadtentwicklungspolitisch wohl auch nicht vertretbar. Steigende Mieten im südlich benachbarten Wohngebiet werden durch die 195 Eigentumswohnungen wohl nicht zu erwarten sein. Der neue Bürgerpark und die zusätzliche Nahversorgung kommen auch den Nachbarn zugute. Für die Realisierung muss nun ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden. Der Ball liegt beim Bezirksamt.

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