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Kultur: Der Kampf um Rom: Wie die Kulturmafia der italienischen Hauptstadt den Theaterchef Mario Martone mobbt

Für Sandro Curzio, ehemaliger Chefredakteur des dritten Fernsehkanals "RaiTre" und Mitglied des Verwaltungsrates im "Teatro di Roma", wäre es "geradezu absurd, den Mann jetzt gehen zu lassen", genauso, als "würde man einen Trainer schassen, der gerade die Meisterschaft gewonnen hat". Der "Corriere della sera" denkt in etwa auch so, sieht aber wenig Hoffnung - "die römische Tragikömodie geht weiter": Mittelpunkt ist der vor einigen Wochen zurückgetretene Intendant des Stadttheaters von Rom, Mario Martone.

Für Sandro Curzio, ehemaliger Chefredakteur des dritten Fernsehkanals "RaiTre" und Mitglied des Verwaltungsrates im "Teatro di Roma", wäre es "geradezu absurd, den Mann jetzt gehen zu lassen", genauso, als "würde man einen Trainer schassen, der gerade die Meisterschaft gewonnen hat". Der "Corriere della sera" denkt in etwa auch so, sieht aber wenig Hoffnung - "die römische Tragikömodie geht weiter": Mittelpunkt ist der vor einigen Wochen zurückgetretene Intendant des Stadttheaters von Rom, Mario Martone. Mit einer fulminanten Inszenierung der "Zehn Gebote" des vor 50 Jahren gestorbenen Volkskomödianten Raffaele Viviani (aus Neapel - wie Martone selbst) hatte er sich kurz zuvor standing ovations des seit langem ausverkauften Teatro Argentino verdient: ein dramatisches und doch zäh hoffnungsvolles Stück über das Nachkriegsneapel, eine "weltliche Parabel in zehn Bildern über eine ständig von der Vernichtung bedrohte Stadt" ("Corriere della sera").

Jedes Gebot wird mit all seinen Konsequenzen dargestellt, vor allem mit der Lust - häufiger noch mit der Notwendigkeit -, es zu übertreten. Mit einer Mischung anerkannter Schauspieler (Nello Mascia, Mari Scarpetta, Ciro Capano, Licianna De Falco) und Absolventen aus der Theaterschule Martones hat der Regisseur offenbar mehrere Zielgruppen zugleich angelockt - und seinen Kritikern einen herben Schlag versetzt. Insbesondere der Präsident des Theaters, Walter Pedulla, sein Intimgegner, hat es nun schwer, seine These vom unaufhörlichen Niedergang des Theaters unter Martone weiter aufrechtzuerhalten.

Als Martone vor gut zweieinhalb Jahren nach Rom berufen wurde, hoffte die Bildungselite der Hauptstadt, dass nun den römischen Theatern der ihnen seit Jahrhunderten anhaftende Provinzgeruch ausgetrieben werde. Wer in Italien ins Theater gehen will, besorgt sich Karten für Mailand, Turin, Neapel. Selbst die Sommerfestspiele in den Caracalla-Thermen der Ewigen Stadt blieben immer im Schatten der Arena von Verona. Jahrzehntelang gab es kein Theater mit einem festen Ensemble, weder für die große Klassik noch fürs experimentielle Theater war Platz. Die Kulturpolitiker begründeten dies in der Regel damit, dass die Römer sowieso anderswohin fahren und die Rombesucher nicht ins Theater gehen.

Martone, der als Theater-, aber auch als Filmregisseur weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist (1999 war er beim "Theater der Welt"-Festival in Berlin mit "Rasoi"), wollte zeigen, dass "Rom nicht naturgesetzlich Diaspora des Theaters" sein muss: Mit Elan machte er sich daran, so ziemlich alles umzukrempeln, was bisher ehernen Bestand hatte. Er brachte die Stadt dazu, eine alte Fabrik im Arbeiterviertel Ostiense zu kaufen und neben dem "Argentina" als Spielort aufzubauen. Dort ließ er Klassiker wie die Shakespeare-Trilogie Carlo Cecchis ("Maß für Maß", "Ein Sommernachtstraum" und "Hamlet") spielen, während er im Stammhaus vor allem solche Stücke zeigte, in denen Roms soziale Probleme thematisiert wurden. Dazu schaffte er das Abosystem ab und führte eine "Theatercard" ein, die auf alle Aufführungen 50 Prozent Rabatt verhieß und langsam auch die Jugend ins Haus lockte.

Doch die Theater-Granden von vordem und die Bürokratie warteten nur auf ihre Chance. Die kam, als sich bei der großen Anzahl von Stücken der eine oder andere Flop einschlich. Umsichtig gewannen die Konservativen auch Presseorgane, die Breitseiten gegen den neapolitanischen Springteufel feuerten. Anhand der 99er Bilanz stellte Präsident Pedulla im Sommer "eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben" fest und bekam danach im (von Politikern besetzten) Verwaltungsrat ein neues Statut durch, nach dem eine eigene Kontrollstelle jederzeit nicht nur die Finanzen, sondern auch den Inhalt der Spielpläne überprüfen und notfalls intervenieren kann. Da warf Martone das Handtuch.

Ob er es sich angesichts der massiven Unterstützung, insbesondere des neu gewonnenen Publikums, noch einmal überlegt, ist offen - bereits dreimal hat er seinen Rücktritt als "endgültig" bezeichnet. Doch mit einem veränderten Verwaltungsrat, in dem Personen wie Curzio sitzen, ist eine neue Situation entstanden.

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