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Kultur: Der Klüngel schlägt zurück

Der Opernintendant wirft hin, das Theater zittert, Umbauten allerorten – was wird aus Kölns Kultur?

Das Abstiegsgespenst geht um. Nicht nur bei der Hertha, auch in Köln beim beinahe heiligen FC. Hüben wie drüben weiß niemand so recht, wie es zum Absturz kommen konnte. Zumindest wirkt die Ursachenforschung der Verantwortlichen verdächtig nebulös. Es bleibt die Hoffnung auf eine Wende in letzter Sekunde.

Nun spukt diese Angst vor der zweiten Liga nicht nur im balltretenden Gewerbe herum, sondern auch in der Kultur. In Berlin eher latent und immer mal wieder, in Köln akut und mit unvermittelter Heftigkeit. Der derzeitige Opernintendant wird sein Haus verlassen, mitten in einem kaum für möglich gehaltenen Aufschwung. Im Mittelpunkt des rheinischen Spektakels stehen zwei ehemalige Berliner Hauptdarsteller. 2005 wählte die Stadt Köln den Ex-Staatsopern-Intendanten Georg Quander zum neuen Kulturdezernenten; vier Jahre später wechselte, nach einer von Peinlichkeiten nicht freien Suchaktion, Uwe-Eric Laufenberg als neuer Intendant an die Kölner Oper. Laufenberg, ehemals Oberspielleiter am Gorki-Theater und Intendant des Potsdamer Hans-Otto-Theaters, kündigte noch vor Amtsantritt an, die im grauen Niemandsland herumdümpelnden Kölner wieder auf Top-Niveau hieven zu wollen, was Skeptikern ein sprödes „Na-warten- wir’s-mal-ab“ abnötigte.

Doch Laufenberg packte an, unter schwierigen Bedingungen: Das Haus am Offenbachplatz ist akut renovierungsbedürftig, Ausweichspielstätten quer durch die Stadt wurden gefunden. Er erhöhte bereits in seiner ersten Spielzeit die Zahl der Premieren und stellte mit geschicktem Händchen eine bunte Sängerschar zusammen, darunter Altgediente wie Kiri Te Kanawa, die in Köln ihren Bühnenabschied feierte, und junge, anfangs wenig bekannte Stimmen. Die Mischung stimmte, der Aufschwung war schnell spürbar, nicht nur künstlerisch. Laufenberg hat die Auslastung der Kölner Oper auf rund 90 Prozent getrieben – eine geradezu neidfördernde Quote.

Hinter den Kulissen jedoch brodelte es immer wieder. Wie meist in solchen Fällen ging es um Geld und Eitelkeiten. Laufenberg konnte mit seinen Erfolgen prunken und darauf verweisen, dass diese nicht für lau zu haben seien. Die Stadt – klamm, aber nicht so klamm, als dass sie teure U-Bahn-Projekte fahren ließe – mahnte zum Sparen. Laufenberg drohte mehrfach mit Rücktritt. Nun ist das Kölner Pulverfass explodiert, mit großer Inszenierung. Letzte Woche, eine Stunde vor der Jahrespressekonferenz, wurde Laufenberg von Dezernent Quander untersagt, die neue Spielzeit vorzustellen. Doch Laufenberg ließ sich nicht beirren, und präsentierte die kommende Saison im Konjunktiv: „Es könnte stattfinden...“

Tatsache ist, dass noch nicht alle Premieren finanziell abgesichert und die Verträge unterschrieben sind. Dafür wiederum ist die Stadt Köln mitverantwortlich, da kurzfristig ein neuer Streit um die Kosten entbrannt war. Konkret: Der Betriebskostenzuschuss liegt in Köln bei 29 Millionen (zum Vergleich Düsseldorf und Frankfurt: 40 Millionen); die reinen Betriebskosten jedoch fressen bereits über 31 Millionen. Laufenberg forderte 34,4 Millionen, die Stadt wollte ihm 32 Millionen aufzwingen.

Am Nachmittag nach der pikanten Pressekonferenz begegneten sich Noch-Intendant und Dezernent beim Betriebsausschuss der Bühnen im Historischen Rathaus. Draußen demonstrierten Mitarbeiter der Oper pro Laufenberg, mit dem Plakat: „Keine Stimmen für Opernmörder“.

Eine rheinische Provinzposse um Zahlen und Befindlichkeiten? Das auch. Auf jeden Fall ein kommunalpolitisches Geschachere, dessen Verlauf in der lokalen Presse mit akribischen Wasserstandsmeldungen verfolgt wurde. Doch will vor allem der Außenstehende am Ende gar nicht genau wissen, wer wann was gesagt hat. Fakt ist, dass Laufenberg, an allen Kölschen Eigenheiten vorbei, sein Haus auf Vordermann gebracht hat – so wie man es bei seinem Amtsantritt vertraglich von ihm gefordert hat. Qualität aber hat auch ihren Preis. Gerade „diese Scheinhaftigkeit erschließt sich mir nicht“, gesteht ein konsternierter Laufenberg.

Jetzt wird er gehen, gescheitert womöglich an einer gewissen Hartnäckigkeit und einem teils zu forsch vorgetragenen Selbstbewusstsein. Zu Fall gekommen ist er aber auch durch hanebüchene Intrigenspielchen im Hintergrund. So wirkt es mehr als verdächtig, wenn Quander herausposaunt, er wolle in keinem Fall die Intendantennachfolge antreten. Erstens war er schon mit einem Bein als Intendant nach Stuttgart enteilt, zweitens hatte er selbst vor Laufenbergs Antritt mit dem Kölner Intendantenstuhl kokettiert. Jetzt will er nicht (mehr) wollen?

Für Köln und Nordrhein-Westfalen ist Laufenbergs Abschied ein herber Verlust, zumal mit Karin Baier auch die Schauspielchefin die Domstadt verlassen wird. Laufenberg selbst sagt, man habe ihn als „Chefarzt“ geholt, um den „todkranken Patienten Oper“ zu heilen. Mitten während OP muss der Operateur nun weichen. Ein einzigartiger Vorgang. Köln droht nach kurzem Intermezzo in der ersten Liga, wieder der Absturz in die Zweitklassigkeit. Ein hausgemachtes Problem, wie beim FC, wie bei der Hertha.

Christoph Vratz

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