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Kultur: Der Krieg in den Köpfen

Frauen, bebombt, geschunden und gefoltert - Frauen, singend beim Bunkerbau, bei der Reisernte oder kämpfend mit Gewehr und Bajonett.Der Film "Aus eigener Kraft - Frauen in Vietnam" ist in seiner Bildersprache eindeutig und klar, entschieden die Stimme aus dem Off: Frauenbefreiung und Kampf für den Sozialismus bilden eine Einheit; gefordert wird Solidarität mit dem vietnamesischen Volk in seinem Befreiungskampf gegen die imperialistische USA.

Frauen, bebombt, geschunden und gefoltert - Frauen, singend beim Bunkerbau, bei der Reisernte oder kämpfend mit Gewehr und Bajonett.Der Film "Aus eigener Kraft - Frauen in Vietnam" ist in seiner Bildersprache eindeutig und klar, entschieden die Stimme aus dem Off: Frauenbefreiung und Kampf für den Sozialismus bilden eine Einheit; gefordert wird Solidarität mit dem vietnamesischen Volk in seinem Befreiungskampf gegen die imperialistische USA.Die Regisseurin Claudia von Alemann produzierte den Streifen 1971 für die Propagandaarbeit der Vietnam-Solidarität.

Jetzt wurde er beim Vietnam-Kongreß im "Haus der Kulturen der Welt" nochmals gezeigt, als Dokument von den ideologischen Schlachtfeldern des Vietnam-Krieges in den USA und Europa.Auf ihnen wurde der erste Medien- und TV-Krieg geführt als Kampf um die Köpfe; ein Ringen, in dem sich auch die bundesdeutsche Linke leidenschaftlich engagierte.Mehr noch, sie bildete dabei überhaupt erst ihre Identität aus, indem sie ihre Utopien und Ideale auf diese Vietnam-Bilder projizierte: Die Hoffnung auf die nationalen, antiimperialistischen Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt jenseits der Militärblöcke.Das jedenfalls wurde bei der Abschlußdiskussion des Kongresses mit Veteranen der Solidaritätsbewegung deutlich.

Erich Wulff hielt sich von 1961 bis 1976 in Vietnam auf, um an der Universität Hue die Psychiatrische Abteilung aufzubauen.Vietnam, das war für den liberalen Intellektuellen, angetan von Sartres Existentialismus und angewidert von Verdrängung der Nazi-Zeit, zunächst die Suche nach einer "Adoptivheimat".Über seine Studenten aber bekommt er Kontakt zum Untergrund und entscheidet sich unter dem Eindruck der Bombardements für den kommunistischen Befreiungskampf.Er schmuggelt Bilder von Massakern ins Ausland, organisiert Kampagnen in den USA und Europa, spricht vor dem Russell-Tribunal.Als einer der wenigen hatte er Erfahrungen aus erster Hand.Seine "Vietnamesische Lehrjahre" standen in jedem Bücherschrank.Er war der Zeuge der Solidaritätsbewegung, die sich sonst weitgehend auf die Medienbilder stützte.Bilder von ungeheurer Wirkung: Claudia von Alemann war von Aufnahmen der Bombardierung Hanois so schockiert, daß sie sich erbrechen mußte.Während andererseits die Reportagen über den Vietcong sympathische Klischees wachriefen: kleine Vietcongs gegen die US-Army mit ihren Bombern, David gegen Goliath, Arm gegen Reich.

Andreas Buro, Politikwissenschaftler und Mitbegründer der Ostermärsche, und Christian Semler von der taz machten deutlich, wie der Vietnam-Krieg die politische Landkarte veränderte.Bis Mitte der 60er Jahre hätten sich nämlich die linken Intellektuellen und Studenten mit den USA als Repräsentanten von Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit identifiziert.Was aus US-Sicht reeducation gewesen sei, habe man durchaus positiv begriffen, weil man nach der NS-Zeit einfach neugierig auf die Welt war.Vietnam führte indes zum brachialen Bruch.Man war zutiefst enttäuscht vom politischen "Übervater", der die eigenen Maßstäbe verriet, durchsichtige Lügen verbreitete und einen grausamen Krieg führte.Die Enttäuschung verfestigte sich zu einem fortdauernden Antiamerikanismus in der bundesdeutschen Linken.Die Linke in den USA hingegen - das beklagte der amerikanische Philosoph Richard Rorty unlängst -, bis dahin voll patriotischen Stolz auf die demokratische Tradition, war danach außerstande, ihr emanzipatorisches nationales Projekt fortzuführen.Systemkritik und tiefsitzender Herrschaftsverdacht gegen alle Institutionen beherrschen seither hüben und drüben den linken Diskurs.

Der Anti-Amerikanismus führte die Neue Linke nicht per se ins kommunistische Lager.Als Vietnam sich nach 1975 stalinisierte, wandten sich große Teile ab.Die durchgehaltene Solidarität Erich Wulffs ist nicht ohne Tragik.Trotz seiner Eingaben blieb ein Freund über Jahre im Umerziehungslager inhaftiert.Die Deutsch-Vietnamesische-Freundschaftsgesellschaft, der er vorsaß, fungierte - "ohne mein Wissen" - als Kontrollinstanz, um Reiseanträge von Menschenrechtsvertretern auszusieben.

GERWIN KLINGER

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