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Gemeinsames Erbe. Der Triumphbogen von Palmyra ist wohl unlängst vom IS zerstört worden. Bilder davon gibt es nicht.

© AFP

Der Krieg in Syrien: Palmyra und die Folgen in der Archäologie

Kollegen werden Flüchtlinge: Welche Katastrophe der Krieg in Syrien für die Archäologie bedeutet.

Die Zerstörungen der antiken Statuen im Museum von Mossul und die Sprengungen der Tempel in Palmyra sind uns allen als barbarische Zerstörung unwiederbringlicher Kulturdenkmäler vor Augen. Die Bilder lassen schnell vergessen, dass bereits seit 2011 durch die militärischen Konflikte in Syrien Denkmäler und ganze Städte zerstört worden sind und mit dem Anhalten der Konflikte weiter zerstört werden. Noch früher datieren Raubgrabungen und Zerstörungen im Irak, die mit dem ersten Golfkrieg 2003 einsetzten. In der allgemeinen Wahrnehmung sind sie kaum mehr präsent.

Wir vergessen bei der Fokussierung auf die Taten des IS aber auch schnell, dass in Syrien und im Irak an vielen Orten mit unglaublichem Engagement und unter für uns unvorstellbarer Gefährdung gegen die Zerstörung angearbeitet wird. Der syrische Archäologe Khaled Asaad bezahlte seinen Einsatz für Palmyra mit dem Leben. Andere mussten in die Nachbarländer fliehen, nicht wenige Wissenschaftler und Studierende kamen auf diese Weise auch nach Deutschland. Viele syrische, aber auch irakische Studierende in Deutschland wurden 2011 vom Bürgerkrieg und von der Ausweitung des Terrors des Islamischen Staates überrascht und konnten nicht in ihre Heimatstädte zurückkehren. Wir haben es also mit einem sehr komplexen Bild zu tun, das mehr als eine Antwort auf die Frage verlangt, was Kultur und eben auch Wissenschaft in Deutschland für Flüchtlinge tun kann.

In der Archäologie besteht eine lange, bis ins 19. Jahrhundert zurückreichende Tradition der gemeinsamen Erforschung der Vergangenheit im Vorderen Orient. Die archäologische Arbeit ist dabei sehr konkret, von der Ausgrabung, der Publikation, der Aus- und Weiterbildung von Nachwuchswissenschaftlern bis hin zum Handwerk. Diese Zusammenarbeit hat stabile Netzwerke hervorgebracht, die es erlauben, die gemeinsame Erforschung und Erhaltung der Kultur des Alten Vorderen Orients fortzusetzen, einer Region, der Europa vieles verdankt.

Weiter mit den Kollegen in Syrien und dem Irak kooperieren

In diesem Kulturraum wurden vor mehr als 10.000 Jahren Ackerbau und Viehzucht entwickelt, die sich langsam bis in den Raum des heutigen Mitteleuropa verbreiteten; auch wurden dort in den frühen Städten Schrift und Zahl als Kulturtechniken entwickelt. Dies mag das große wissenschaftliche Interesse an der Region erklären. Die vernetzte Welt der frühen Kulturen war zugleich eine Welt voller Dynamik und Migration, in der etwa die in Straubing stationierten syrischen Bogenschützen als Teil der römischen Armee nur eine Facette der antiken Mobilität darstellen.

Es mag die Vertrautheit mit dieser Mobilität und die Existenz stabiler Forschungsnetzwerke sein, die es erlaubt, die Zusammenarbeit in den verschiedensten Situationen bis heute fortzusetzen und auszuweiten. Zunächst gilt es, weiter mit den Kollegen in Syrien und dem Irak zu kooperieren. Seit 2003 finden fast jährlich Summerschools zwischen irakischen Universitäten und dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) im Irak oder in Deutschland statt, die sich vor allem an Nachwuchswissenschaftler richten.

Aber auch der Austausch durch Einladung von Kollegen wird fortgesetzt; sodass die Zusammenarbeit trotz des Krieges bis heute nie abgebrochen ist und Zeichen in der Region setzt. So wird etwa mit dem Syrian Heritage Archive Project des DAI und des Berliner Museums für islamische Kunst der Aufbau von Denkmalregistern in Syrien gefördert. Die Ergebnisse werden der syrischen Antikenbehörde zur Verfügung gestellt – wichtige Informationen, um die Monumente vor Ort besser schützen zu können.

Flüchtlinge werden in Studienangebote integriert

Ein Wunsch wird dabei immer wieder an Deutschland herangetragen, nämlich der nach Ausbildung. Nur ein ausgezeichnet qualifizierter Nachwuchs kann Krisenregionen eine Zukunft ermöglichen. Wenn dies in Syrien – anders als im Irak – nicht durch den Aufbau von Studiengängen im Land möglich ist, muss dies eben anderswo erfolgen. Hier gibt es zahlreiche Initiativen des DAAD, etwa die Deutsch-Jordanische Universität in Jordanien oder gemeinsame Studienprogramme von deutschen und ägyptischen Universitäten – seit Jahren etablierte, wirkungsvolle Programme, in die auch Flüchtlinge einbezogen werden. Die Flüchtlinge erhalten eine Ausbildung und eine Perspektive in der Region, zugleich werden sie qualifiziert, eine Zukunft für ihre Heimat zu entwickeln.

Die Internationalisierung der deutschen Universitätslandschaft erlaubt es nun auch deutschen Universitäten und Fachhochschulen, Flüchtlinge in ihre Studienangebote zu integrieren. Was diese mit großem Engagement und enormer Flexibilität auch tun. Und was ist mit jenen Kolleginnen und Kollegen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen und hier zunächst zur Untätigkeit verurteilt sind? Zusammen mit dem Cultural Heritage Centre der BTU Cottbus-Senftenberg führt das DAI ein Projekt mit dem Ziel durch, syrische Kollegen zusammenzubringen, damit diese selber eine Zukunft für ihr Heimatland planen können.

Vor 70 Jahren standen die Bewohner deutscher Städte, darunter viele Flüchtlinge, vor den Trümmern ihrer Häuser, aber auch bedeutender Kirchen, Paläste, Museen. Diese Erinnerungen haben unser kollektives Gedächtnis in Deutschland geprägt. Sie gingen mit Erfahrungen einher, welche Entscheidungen angesichts der Trümmer zu treffen sind, welche Logistik der Wiederaufbau einer zerstörten Stadt bedeutet, welche ethischen Maßstäbe gelten. Welche Denkmäler bleiben Ruine, welche Gebäude werden rekonstruiert, welche vielleicht nie wieder aufgebaut?

Vielleicht ist es vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass das Projekt in Cottbus auf Initiative syrischer Studierenden zustande kam, die genau solche ethischen Fragen stellten. Wenn Kultur etwas für Flüchtlinge tun kann, dann dies: mehr solcher gemeinsamer Projekte zu schaffen, die Lösungen für die Zukunft der Heimatländer entwickeln, dabei aber auch unsere eigene Geschichte vermitteln und die daraus entstandenen Werte verständlich machen.

Die Autorin, Jahrgang 1964, ist seit 2011 Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin. In loser Folge drucken wir Beiträge von führenden Vertretern deutscher Kulturinstitutionen zur Frage, was Kultur für die Flüchtlinge tun kann. Bisher erschienen: Klaus-Dieter Lehmann zum Goethe-Institut (30. 9.).

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