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Kultur: „Der Krieg macht mir Angst“

Dustin Hoffman über seine Rolle in „Moonlight Mile“ und den Aufmarsch gegen den Irak

Mister Hoffman, in „Moonlight Mile“, der im Panorama läuft, spielen Sie einen Vater, dessen Tochter das zufällige Opfer einer Schießerei wurde. Ist es schwer, Trauer zu zeigen, ohne in den Kitsch abzurutschen?

Es gibt keine Zeit mehr für Trauer. Unsere Kultur wird von Medienkonzernen beherrscht. Es geht immer nur um Marktanteile, alles Private hat begonnen, sich aufzulösen. Wenn eine Tragödie passiert wie der Absturz der ColumbiaRaumfähre, dann versuchen die Fernsehsender, sich in ihren Nachrichtensendungen an Rührseligkeit und Theatralik zu überbieten. Kürzlich habe ich den Superbowl, das Football-Endspiel, gesehen. 30 Sekunden Werbung kosten da zwei Millionen Dollar. Und zwischen lauter Spots für Autos und Softdrinks brüllte es mir aus dem Fernseher plötzlich entgegen: „Alles über den bevorstehenden Krieg gegen den Irak in unseren Nachrichten. Bleiben Sie dran!“ Ich war entsetzt. In dermaßen marktschreierischen Zeiten fällt es tatsächlich schwer, etwas Echtes zu zeigen.

„Moonlight Mile“ spielt 1973, im Hintergrund steht der Vietnam-Krieg. Jetzt wird es vielleicht bald einen neuen Krieg geben. Macht Ihnen der Aufmarsch gegen den Irak Angst?

Macht er Ihnen denn Angst?

Es gibt viele Deutsche, die sich fürchten.

Man muss sich auch fürchten. Ich habe bislang noch kein überzeugendes Argument dafür gehört, warum wir in diesen Krieg ziehen sollten. Irgendwo war zu lesen, dass im Irak 15 000 Kilo Bomben innerhalb von 45 Minuten abgeworfen werden könnten. Unsere Politiker wollen keinen langen Krieg, das wäre schlecht für die Wiederwahl. Dafür müssen vielleicht Zehntausende Menschen sterben. Und warum? Weil Saddam eine Bedrohung ist? Nordkorea ist eine mindestens genauso große Bedrohung, es hat die Atombombe ja bereits. Wenn die UN–Inspekteure Waffen im Irak finden, dann wird bombardiert. Und wenn keine Waffen gefunden werden, dann wird erst recht bombardiert, weil Saddam sie eben besonders gut versteckt hat. In Wirklichkeit wollen unsere Politiker und Militärs in den Irak hinein, um von dort aus die ganze Region und die viertgrößten Ölfelder der Welt zu kontrollieren.

Man hat aber durchaus den Eindruck, dass die Mehrheit der Amerikaner die Irak-Politik von Präsident Bush unterstützt.

Das ist nur das Bild, das in den Medien vermittelt wird. Die Hunderttausenden von Demonstranten, die in Washington gegen den Krieg auf die Straße gingen, waren in den Nachrichten zu sehen, aber alles andere wird ausgeblendet. Dabei gibt es in den Städten und an den Universitäten eine Proteststimmung, wie ich sie seit den Sechzigerjahren nicht mehr erlebt habe. Die Regierung füttert die Bevölkerung über die großen Networks von ABC, CBS und NBC mit der Propaganda vom bösen und supergefährlichen Diktator. Aber wenn ein Journalist die Bush-Administration nach Nordkoreas Atombombe fragt, bekommt er keine Antwort. Und auch auf die Frage, was aus dem Irak nach einem Krieg werden soll, gibt es keine Antwort. Wir werden verarscht.

Die Fragen stellte Christian Schröder.

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