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Kultur: Der kriegt die Kurve nicht

Kai Müller hört Grönemeyers WM-Hymne

Für den Fußball mag die WM eine Sternstunde sein, für die Popmusik ist sie ein Trauma. Singende Nationalteams, teamende Nationalsänger. Von allem ist im Kampf um die Fankurvenhymne etwas dabei, um es der Mutter aller Fußballsongs gleichzutun, dem ursprünglich vom Liverpooler Fanblock angestimmten „You’ll Never Walk Alone“. Das Lied war schon 1945 von Rodgers/Hammerstein für das Broadway-Musical „Caroussel“ geschrieben worden. Aber als an der Anfield Road, dem Stadion des FC Liverpool, einmal die Lautsprecheranlage versagte, griffen die Zuschauer den Geist dieser Durchhaltehymne auf und sangen sie einfach weiter. Seitdem wird das vor jedem Spiel wie ein Ritus zelebriert, wie die Anrufung eines gerechten Gottes. Auch in Aachen.

Lautsprecheranlagen sollten viel öfter ausfallen. Wenn Fußballfans nicht mal die Hymne ihrer eigenen Mannschaft singen können, dann haben sie nämlich überhaupt keine Musik verdient. Bei Weltmeisterschaften besteht das kollektive Liedgut naturgemäß aus Nationalhymnen. Da herrscht in Deutschland ja komplette Verwirrung. Ein Lied, dessen man sich so sehr schämt, dass es nur in gekürzter Form oder als Marschkapellen-Instrumental erlaubt ist, erfüllt nicht gerade die Kriterien eines Hits. Deshalb hat die Fifa nachgelegt und den passionierten Kicker Herbert Grönemeyer um einen „offiziellen WM- Song“ gebeten. „Zeit, dass sich was dreht“ erscheint morgen im Handel und ist gewiss die Hymne, bei der die Lautsprecheranlage nicht ausfallen darf. Denn nachsingen kann das tausendstimmige Weltmusikgedudel, an dem die malischen Musiker Amadou und Mariam mitgewirkt haben, niemand. Es wird wohl auch niemand für nötig halten. Buschtrommeln poltern los, Stammeschöre rauschen auf, und man begreift sofort, dass die Welt hier zu Gast bei Freunden ist – und tanzt. Doch leben diese Freunde in Afrika, wo die WM erst 2010 stattfinden wird.

Zeit, dass jemand sowas abdreht.

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