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Kultur: Der Künstler verschwindet

Echt oder nicht? Dresdens Kupferstichkabinett inszeniert die Rembrandt-Forschung als Krimi

Es ist ein Kreuzweg schmerzlicher Stationen. Und was besonders hart ist: Sie werden nicht mehr, sondern weniger. Rund 150 Rembrandt-Zeichnungen zählte das zu Recht auf seine Bestände und seine frühe Ankaufstätigkeit stolze Dresdner Kupferstichkabinett Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf gerade einmal 21 ist die Zahl inzwischen geschrumpft, und, so der Niederländer-Experte Thomas Ketelsen: „Schon wieder bröckelt es an den Rändern.“

Diskussionen um die Echtheit von Rembrandt-Bildern oder -Zeichnungen gehören zu den Dauerbrennern der kunsthistorischen Forschung – nur, dass es in letzter Zeit besonders heftig lodert. Das Langzeitprojekt „Rembrandt Research Project“, das seit 1968 in Amsterdam den Rembrandt-Bestand weltweit untersucht, hat ihn in den nun 35 Jahren seines Wirkens kräftig dezimiert. Man könne, so Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, eigentlich nur noch vom „Verschwinden eines Künstlers“ sprechen.

Die Kunsthistoriker nehmen dabei oft die Rolle von Detektiven ein. Und die (Markt-)Werte, um die es geht, stellen manchen Bankraub in den Schatten. Es scheint daher nur konsequent, dass sich die Ausstellung im Dresdner Kupferstichkabinett, die erstmals seit über 40 Jahren den Bestand des Hauses präsentiert, ganz auf die handelnden Personen konzentriert: auf drei Rembrandt-Forscher, die in Jahrzehnten den Bestand des Hauses systematisch hinterfragt haben.

Den Anfang machte der Niederländer Cornelis Hofstede de Groot. 1890 war der 27-jährige Student als „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ nach Dresden gekommen und mit der Aufgabe betraut worden, den Bestand an Rembrandt-Zeichnungen auf ihre Authentizität zu überprüfen. 126 Einzelblätter nimmt sich der eifrige Forscher vor, katalogisiert sie, notiert Inhalt und Zustand und fügt am Ende sein Urteil an: entschieden und oft vernichtend. „Echtheit nicht unmöglich“ ist noch das freundlichste Urteil, bei anderen Blättern heißt es „Echtheit anfechtbar“ oder gar „Hat nichts mit Rembrandt zu tun“. 90 Werke bleiben nach der Prüfung übrig, die Hofstede de Groot 1906 in einem Katalog veröffentlicht. 1954, beim zweiten Durchgang des späteren Albertina-Chefs Otto Benesch, verringert sich der Bestand noch einmal beträchtlich, auf 48 Zeichnungen.

Dresden hat also – wie andere Museen auch – viele „echte“ Rembrandts verloren. Doch es hat auch gewonnen: genaue Kenntnisse über die Schüler, die den Stil des Meisters so gut studierten, dass ihre Werke jahrhundertelang als eigenhändige Rembrandt-Zeichnungen durchgehen konnten. Besonders dem Stuttgarter Rembrandt-Forscher Werner Sumowski ist es zu verdanken, dass wir inzwischen viel über das reiche künstlerische Umfeld wissen. Auch die Dresdner Blätter hat er systematisch einzelnen Schülern zugeschrieben. Inzwischen, so Kupferstichkabinetts-Chef Wolfgang Holler, gelte bei ihm im Hause die Maxime: „Keine Abschreibung ohne Zuschreibung“.

Die düstere Dramatik eines Ferdinand Bol, die putzigen Gestalten eines Nicolaes Maes, der genau beobachtende Aert de Gelder sind längst keine Unbekannten mehr. Andere wie Philips Koninck harren noch der Entdeckung, zu der die Dresdner Forschungen ihren Teil beitragen dürften. Der Rembrandt-Schüler hat sich auf biblische Szenen konzentriert, hat dichte, gedrängte Figurengruppen komponiert und das Ganze dann großzügig laviert. Oder Willem Drost, dem inzwischen eine ganze Gruppe von ehemaligen Rembrandt-Zeichnungen zugeschrieben wird: Aus seiner Hand stammen verknappte, fast comichafte Kompositionsstudien und zwei entzückende Kinderbilder.

Sie alle lernt man in Dresden kennen und unterscheiden. Das Rätsel Rembrandt ist damit jedoch keineswegs gelöst. Der Dramatik der Forschungslage folgend, inszeniert die Forschungsausstellung – die zweite in den frisch renovierten Räumen des Dresdner Schlosses – einen grün grundierten Tunnelgang. Rechts und links, geordnet nach den Forschungsstationen 1890, 1954 und 2004, bleiben die „Pseudo-Rembrandts“ auf der Strecke, bis der Betrachter im Herz der Ausstellung landet: bei den noch verbleibenden „echten“ Blättern. Ein orientalischer Krieger mit Schwert und Lanze, ein alter Mann mit ausgebreiteten Armen, eine sehr modern wirkende schlafende Frau im Sessel, Saskia im Wochenbett, Skizzen für „Ecce Homo“, den „Raub des Ganymed“, Landschaften und zwei recht komische Theaterstudien: Die Spannweite ist breit, inhaltlich wie stilistisch.

Am Ende stehen, effektvoll in die Blickachse gerückt, leere Bilderrahmen, deren auf das eingerissene Passepartout gekritzelte, mehrfach verbesserte Beschriftungen vom steten Prozess der Auslöschung künden. „Niemand kann einen Wechsel auf die Zukunft ausstellen“, zitiert die Ausstellung dazu unheildrohend den legendären Hamburger Kunsthistoriker Alfred Lichtwark. Heißt das, dass irgendwann überhaupt keine Rembrandts mehr übrig bleiben werden? Noch nie, so Thomas Ketelsen, sei ein einmal abgeschriebenes Werk nachträglich wieder als echt eingestuft worden.

Rembrandt. Die Dresdner Zeichnungen. Kupferstichkabinett Dresden, bis 3. Oktober. Katalog (Walther König Köln) 28 €.

Christina Tilmann

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